Kurzer Rückblick
In der Vorsaison konnten beide Teams über weite Phasen im Aufstiegsrennen mitmischen. Sowohl St. Pauli als auch der FCN spielten die meiste Zeit mit der Mittelfeldraute im 4-4-2. Die Hamburger bekamen in der Rückrunde der letzten Spielzeit mit der Herangehensweise ihrer Gegner Probleme. Die meisten Teams spiegelten die Raute und agierten folglich mit Dreierkette und defensiven Flügelverteidigern. Die Schwierigkeiten lassen sich auch statistisch belegen. 2,04 Punkte holte St. Pauli im Schnitt gegen Viererketten. Mit 1,20 Punkten gegen Dreierketten lag der Punkteschnitt deutlich darunter. Die Gäste aus Nürnberg agierten in der Rückrunde ebenfalls mit Dreierkette am Millerntor – Endstand 1:1.
Wir hatten auch vor dem Spiel schon die Überlegung, mit Dreierkette zu beginnen.
Robert Klauß gab auf der PK nach dem Spiel auch zu, dass die – für den Club untypische Dreierkette – erneut eine Option zu Beginn war. Die Umstellung darauf erfolgte aber erst im 2. Durchgang. Darüber gleich mehr!
Auch wenn nach dem kurzfristigen Ausfall des etatmäßigen „6ers“ Johannes Geis viele ein 4-2-2-2 vermuteten, setzte Klauß erneut auf die Raute im Mittelfeld. Das Fehlen Geis‘ machte sich aber bemerkbar. Die Abläufe erschienen mit Nürnberger auf dessen Position längst nicht so klar, vor allem gegen den Ball.
St. Pauli begann die Partie sehr forsch. Mit dem hohen und mannorientierten Pressing im 4-3-1-2 hatte der Club zunächst Probleme, das Spiel zu eröffnen. Lange Schläge von Mathenia waren die Folge. Diese kamen in der Anfangsphase postwendend zurück. Mit schnellen Ballstafetten durch das Zentrum der Glubberer kamen die Hamburger in den ersten Minuten einige Male gefährlich in Richtung Sechzehner der Gäste.
Nach 7 Minuten war die erste große Abschlussmöglichkeit dem Club in Persona Christoph Daferner vorbehalten. Nach einem Missverständnis zwischen Medic und Torhüter Smarsch – es sollte nicht das letzte sein – verpasste der Stürmer die Führung aus spitzem Winkel.
Nürnberger Variabilität dominiert St. Paulis Mannorientierungen
In der letzten Saison hatte der Club große Probleme im eigenen Ballbesitz. Mit durchschnittlich 48,9% befand man sich in der unteren Tabellenhälfte. Gegen die Hamburger zeigte man sich nach der Anfangsphase im Spiel mit Ball aber stark verbessert.
Ein Faktor dafür war auch die Variabilität im Spielaufbau. Während der rechte Verteidiger Gyamerah sich offensiv positionierte, ließ sich der nominelle Linksverteidiger Handwerker neben Schindler und Sörensen fallen. Davor war Nürnberger die erste Anspielstation – situativ kam auch Tempelmann zurück. Folglich eröffnete der Club variabel – mal im 3-1, mal im 3-2. So gelang es den Franken immer wieder, die erste Pressinglinie der Heimmanschaft zu überspielen. Eine gute Abwehrarbeit in der letzten Reihe verhinderte Schlimmeres.
Der nominell zweite Achter Duman interpretierte die Rolle komplett anders als Tempelmann. Er besetzte zumeist den rechten offensiven Halbraum, wodurch zusammen mit dem offensiven Außenverteidiger Gymerah der rechte Flügel überladen wurde. Nur selten schaffte es der Club aber, die beiden zu finden. Ähnliches galt für den neuen Stürmer Kwadwo Duah. Häufig startete der Angreifer in die Tiefe – seine Mitspieler setzten ihn aber kaum in Szene. Am Ende stehen für den Neuzugang lediglich 20 Ballkontakte zu Buche.
Effizientes St. Pauli
In der 24. Minute stellte Irvine den Spielverlauf auf den Kopf. Nach einer Freistoßflanke des starken Paqarads köpfte der Australier präzise ins rechte Eck. Mathenia war machtlos. Sicherheit gewannen die Hausherren dadurch aber zunächst nicht. Zwei weitere Unstimmigkeiten in der Hintermannschaft konnten die Gäste allerdings nicht nutzen.
Kurz darauf hatte der Club Pech. Schiedsrichter Florian Heft zeigte nach einem Zweikampf zwischen Daschner und Schindler auf den Punkt. „Ich muss aufpassen, was ich sage. Es ist einfach nicht korrekt, Elfmeter zu geben.“ resümierte der nach dem Spiel sichtlich angefressene Gästetrainer Robert Klauß. Paqarada verwandelte zum 2:0.
Keine zwei Minuten später stand es schon 3:0. Ein schwach verteidigter zweiter Ball landete beim umtriebigen Daschner, der mit seinem abgefälschten Schuss zum Pausenstand traf. Ein 3:0, das der Spielverlauf nie und nimmer hergab. Trotz Elfmeter kam St. Pauli nur auf einen Expected Goals Wert von 1,05. Auch spielerisch waren es vielmehr die Gäste, die optisch mit 58% Ballbesitz überlegen waren. St. Pauli ließ dennoch wenig klare Situationen zu. Und wenn, dann waren sie meist selbstverschuldet.
Klauß und Schultz stellen um
Zur 2. Halbzeit und mit der Einwechslung von Wekesser stellte Klauß auf die zu Beginn zitierte Dreierkette um. Die Spielanlage war von nun an deutlich breiter. Sein Gegenüber Schultz reagierte darauf zwischenzeitlich mit einem flachen 4-4-2.
Die Umstellung schien schnell Früchte zu tragen. Nach nicht einmal einer Minute verkürzte Duah – zum ersten Mal konnte man das Tempo des Stürmers nutzen.
Im 2. Durchgang konzentriertet sich St. Pauli auf eine abwartende Verteidigungsarbeit und positionierte sich etwas tiefer. So konnte man Chipbälle hinter die letzte Kette vermeiden. Den Spielfluss durch das Zentrum, wie er über weite Phasen der 1. Hälfte stattfand, fand der Club nicht mehr. Viel zu hektisch agierte man im Ballbesitz und enttäuschte auf ganzer Linie. Besonders das Übergangsspiel zwischen Defensive und Offensive funktionierte gar nicht mehr. Von einem Aufbäumen war wenig zu spüren.
Allzweckwaffe Paqarada
Vielmehr waren es die Männer von Timo Schultz, die das Heft übernahmen. Durch Bespielen der – durch die offensiven Außenspieler in Clubs Dreierkette freien – Flügel ließ St. Pauli geschickt den Ball laufen und hielt die Gäste dadurch weitestgehend vom eigenen Tor weg.
In bestechender Form zeigte sich allen voran Leart Paqarada. Beflügelt von der Kapitänsbinde überzeugte der Linksverteidiger in jeglicher Hinsicht. Apropos Kapitän – dieses Amt teilt er sich mit Jackson Irvine. „Wer den Stofffetzen am Arm trägt, ist mir relativ egal„ kommentierte Pauli-Trainer Schultz die Situation gewohnt lässig. Zurück zu Paqarda. Defensiv ließ der kosovarische Nationalspieler über die gesamte Spielzeit nichts anbrennen. Mit dem verwandelten Elfmeter übernahm er Verantwortung. Dazu seine Freistoßflanke vor dem 1:0.
Vor allem im Wechelspiel mit dem linken Spieler der Mittelfeldraute, Marcel Hartel, kombinierte Paqarada außergewöhnlich gut. Hartel zog oft nach innen, den freiwerdenden Raum nutzte der Linksverteidiger in der zweiten Halbzeit regelmäßig. Einzig und allein die schwachen Abschlüssen und Entscheidungen der beiden Spitzen Eggestein und Matanovic verhinderten weitere Scorerpunkte.
Ideenloser Club
Dem FCN fiel nicht mehr viel ein. Im letzten Drittel agierten die Glubberer zu umständlich und unpräzise. Dass Spielmacher MMD nach Infekt noch nicht bei 100% ist, machte sich bemerkbar. Auch das Fehlen von Geis, der in Zukunft für vertikale Pässe in die Tiefe für den schnellen Duah prädestiniert sein könnte, zeigte sich. Neuzugang Daferner fehlte noch die Bindung zum Spiel. Zu oft kam es zu Missverständnissen, in denen das Timing des Ex-Dresdners nicht passte.
In Sachen Missverständnis hatte aber das Heimteam das letzte Wort. Erneut war es Medic. Nach einer schwachen Kopfballrückgabe spritzte der eingewechselte Valentini dazwischen und verkürzte zum 3:2. Dennoch pfiff der Schiedsrichter 10 Sekunden früher ab, was verständlicherweise für viel Ärger auf Seiten der Nürnberger führte.
Fazit: Luft nach oben für beide
Verkehrte Welt! Während in der ersten Halbzeit der Club das ambitioniertere und gefälligere Team war, war es in den zweiten 45 Minuten die Heimmanschaft. Dass mit 0:3 und 0:2 beide ihre bessere Halbzeit verlieren, zeigt, wie viel Momentum und auch Glück zum Fußball gehören. Nichtsdestotrotz offenbarten beide einige gute und auch schwächere Dinge in ihrem Spielvortrag, an denen es zu arbeiten gilt.
St. Pauli hatte Mitte des ersten Durchgangs erschreckend wenig Zugriff im Zentrum trotz Mittelfeldraute. Die Abstände passten mitunter nicht. Auffällig waren die Patzer in der Abwehrreihe. Vor allem zwischen Medic und Smarsch. Auch die beiden Stürmer Matanovic und Eggestein zeigten Licht und Schatten. Gegen den Ball mit viel Engagement, im eigenen Offensivspiel aber nicht zielstrebig und gefährlich genug.
Mit Betim Fazliji und David Nemeth stehen aber zwei Neuzugänge für die Innenverteidigung schon parat. Mit einer noch nicht kompletten Elf kann sich die Leistung, vor allem im zweiten Durchgang, aber absolut sehen lassen und macht Mut für eine erneut starke Saison.
Die Franken verspüren schon vor dem Derby am zweiten Spieltag ordentlich Druck. Verlieren verboten heißt es kommendes Wochenende. Mut macht zum einen die Trainingswoche. Die beiden neuen Stürmer hatten noch nicht sonderlich viele Einheiten mit der restlichen Mannschaft, jede gemeinsame Minute auf dem Platz wird helfen. Auch die Fürther werden wohl in der Raute auflaufen. Hoffnung auf einen erfolgreicheren Spielausgang machen weite Phasen des ersten Durchgangs.
Im Gegensatz zur Vorsaison zeigte man sich im Spiel mit Ball klar verbessert. Dennoch wurde klar, dass ein Ersatz für den zweikampfstarken Krauß wichtig wäre. Zu einfach kamen die Hamburger durch das Zentrum. Auch weil Nürnberger und Tempelmann ihre Stärken im Spiel nach vorne haben.
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