Preußen Münster in der Analyse – mit dickem Polster in die Winterpause?

Wir wollen jetzt unbedingt wieder hoch in die dritte Liga, da gehört der Verein auch hin – wenn nicht sogar noch eine Liga höher. Ein neues Stadion wird gebaut, es passiert sehr viel in Münster. Es ist eine wunderschöne Stadt, mit sehr angenehmen Menschen. Es macht mir sehr viel Spaß.

– SCP-Trainer Sascha Hildmann via „Treffpunkt Betze“, 17.11.2022




Last-Minute-5:4 an der Lohrheide: viel mehr als 3 Punkte

Tabellenführer nach 18 Spieltagen und acht Punkte Vorsprung. Es könnte aktuell kaum besser laufen für den SC Preußen Münster. Es läuft sogar so gut, dass man bei der vermeintlichen Pflichtaufgabe beim Tabellenvorletzten SG Wattescheid 09 so viel mehr als nur drei Punkte mitnehmen konnte.

Zum einen wäre da die Erkenntnis, dass es in der Regionalliga West schwierig wird, Spiele zu gewinnen, sobald man unter 100% der Leistungsfähigkeit abruft. Trotz einer komfortablen 4:1-Pausenführung und einer 30-minütigen Überzahl kassierte man doch tatsächlich noch in der Nachspielzeit den Ausgleich. Statt sich den Vorteil der Überzahl zu Nutze zu machen, überließ man den Wattenscheidern in der zweiten Halbzeit zu großen Teilen das Spiel. Die Quittung folgte kurz vor Abpfiff. Was sich allerdings mit dem Abpfiff ereignete, lässt eine weitere Erkenntnis zu. Der Kader besitzt die große Qualität, ein Spiel jederzeit für sich entscheiden zu können. So war Simon Scherders „Schuss“ in der 96. Minute die letzte Aktion des Spiels, die den vielumjubelten 5:4-Siegtreffer für die Preußen bescherte. Dass diese Last-Minute-Qualitäten kein Zufall sind, zeigt ein Blick auf die Torausbeute der Münsteraner nach der 75. Minute. Bereits 17 Tore konnte der Tabellenführer in jenem letzten Abschnitt einer Partie erzielen – mit Abstand Ligahöchstwert!

Viel entscheidender als die Erkenntnisgewinne dieses Sieges dürfte allerdings das damit verbundene Gefühl sein. „Wer solche Spiele gewinnt, wird Meister.“ Oft als Floskel abgestempelt, hat diese Aussage sicherlich auch seine Daseinsberechtigung. Insbesondere nach der überragenden 87 Punkte-Vorsaison, in der man nur drei Tore schlechter als Meister Essen abschnitt, dürften solche Momente den Spieler das Gefühl geben: dieses Jahr führt kein Weg am Meister SC Preußen Münster vorbei!

Sascha Hildmann: bald in einer Reihe mit Horsch und Faber?

Während so mancher Übungsleiter im Anschluss einer solchen Partie wohl mahnend den Zeigefinger heben würde, zeigt sich SCP-Trainer Sascha Hildmann hingegen zunächst dankbar, Protagonist dieses Spektakels gewesen sein zu dürfen.

Das ist geiler Fußball. Ich bin zwar zehn Jahre älter geworden, aber dafür spielt man Fußball. Das war so schön eben, wie wir alle aus dem Sattel gegangen sind.

Sein sympathisches Auftreten verbunden mit dem sportlichen Erfolg lassen ihn nun schon seit fast 3 Jahren an der Linie der Preußen stehen. Ein Wiederaufstieg in die 3. Liga würden ihn bei vielen Fans (neben den anderen beiden Aufstiegstrainern Horsch und Fascher) höchstwahrscheinlich in den Legendenstatus heben. Damit dies gelingt, wird trotz der Euphorie auch dieses Spiel analytisch zerlegt und die Vorbereitung auf den nächsten Gegner forciert. Ohnehin ist Hildmann ein Trainer, der zwar eine eigene Spielidee verfolgt, aber dennoch seinen Matchplan an den Schwächen des Gegners orientiert.

Eine einzige Philosophie habe ich sowieso nicht. Ich finde es gut, wenn ein Trainer verschiedene Philosophien zur Hand hat.

– Sascha Hildmann via „Pfalz-Echo“ 2019




Hohe Balleroberungen durch aggressives Pressing

„Nach vorne spielen, schnell in Ballbesitz kommen“ – schon bei seinem damaligen Engagement beim 1. FC Kaiserslautern skizzierte Hildmann mit diesen Worten eine seiner Grundideen. Wie die Performance-Daten der bisherigen Saison belegen, findet diese Philosophie auch bei Preußen Münster Anwendung. In Deutschlands Regionalligen gibt es kaum eine Mannschaft, die den Gegner aggressiver im eigenen Spielaufbau (PPDA: 8) stört. Im Schnitt erzielt man pro Spiel fast 17 Balleroberungen im Angriffsdrittel. Damit liegt man auf Augenhöhe mit Sandro Wagners SpVgg Unterhaching, die in Deutschlands Viertklassigkeit als Benchmark des Pressings gilt. 

Unberechenbarkeit im Spiel mit Ball

Doch die Münsteraner definieren sich keineswegs ausschließlich über das Spiel gegen den Ball. Mit einer Quote von 56% verfügt man über den Großteil der Spiele über mehr Ballbesitz als der Gegner. Die bereits angeklungene Flexibilität des Matchplans schlägt sich auch in der taktischen Formation nieder. Sowohl was Personal als auch Grundordnung (erst 4231, zuletzt 352) angeht, lässt sich Hildmann stets neuen Ideen einfallen, um unberechenbar für den Gegner zu bleiben. Diese Unberechenbarkeit lässt sich ebenfalls an der Verteilung der Tore erkennen. Bereits 13 verschiedene Spieler konnten sich in die Torschützenliste eintragen.

Präzises und variables Vertikalspiel

Doch wie kommen die Münsteraner zum Torerfolg? Mit präzisem Vertikalspiel! Statt sich lange mit Ballbesitz in der eigenen Hälfte aufzuhalten, sucht man mit progressivem Spiel möglichst schnell den Weg ins letzte Drittel. Folglich spielt man in der RL West die meisten Pässe ins Angriffsdrittel. Dort angekommen zeigt man sich sehr variabel. Sowohl Flanken über die offensiv ausgerichteten Außenverteidiger als auch der Schnittstellen-Pass in die Tiefe gehören zum Repertoire der Hildmann-Elf. Dank gut getimter Tiefenläufe und einer hohen Präzision beim letzten Pass verzeichnet man in der Liga die meisten Ballkontakte im gegnerischen Sechzehner.  Die logische Konsequenz sind die meisten Torabschlüsse der Liga – aus meist aussichtsreicher Position (0,13 xG/ Schuss).

Messi, Suarez, Neymar? Wegkamp, Wouten, Teklab!

Vor dem Tor macht sich wiederum die hohe Qualität des Kaders bemerkbar. Während die expected Goals (erwartbare Tore anhand der Chancenqualität) rein statistisch nur 37 Tore hergaben, bewies man Effizienz und traf bereits 48-mal. Hervorzuheben ist hierbei das Offensiv-Trio um Wegkamp, Wouten und Teklab, das mit kumulierten 26 Toren und 13 Vorlagen nur schwer zu stoppen ist.

Defensive Instabilität?

Um am Ende ein entscheidendes Wörtchen um die Meisterschaft mitreden zu können, bedarf es defensiver Stabilität. Diesbezüglich scheint es noch das ein oder andere Fragezeichen zu geben. Zwar lässt man ligaweit die viertwenigsten Schüsse zu, jedoch stand insbesondere in den letzten 9 Partien zu selten die Null. Torhüter Schulze Niehues blieb in dieser Phase nur zweimal gegentorlos und musste 12-mal hinter sich greifen. In den ersten 9 Spielen waren es noch fünf Zu-Null-Spiele und nur 8 Gegentore.

Stimmige Balance!

Dass bei einer dominanten und offensiven Spielweise sich defensive Risiken bergen, sei verziehen, solange das Verhältnis stimmt. Beim Blick auf die mit Abstand beste Tordifferenz der Liga mit +28 Toren kann man durchaus von einer gesunden Balance reden.



Entscheidende Spiele vor und nach Winterpause

Trotzdem gilt es, defensive Ausrutscher wie am vergangenen Spieltag an der Lohrheide zu vermeiden. Kurz vor der Winterpause dürften dadurch die Sinne geschärft worden sein. Mit Wiedenbrück und Bocholt stehen nun auf dem Papier zwei weitere Pflichtaufgaben auf dem Programm, die es dennoch erst einmal seriös zu bespielen gilt. Bisher ließ man im Stile eines Meisters gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte noch keinen einzigen Punkt liegen. Wie wichtig es ist, dass dies so bleibt, zeigt ein Blick auf das Auftaktprogramm nach der Winterpause. Denn mit Alemannia Aachen und den Gladbacher Jungfohlen startet man direkt mit zwei absoluten Topspielen in das neue Jahr. Dementsprechend intensiv wird Sascha Hildmann seine Mannschaft auf die letzten Aufgaben in diesem Jahr vorbereiten. Sollte man die Serie gegen vermeintlich schwächere Gegner beibehalten können und auch den Start ins neue Jahr positiv gestalten können, so ist ein großer Schritt Richtung Meisterschaft und dem damit verbundenen Wiederaufstieg in die dritte Liga nach 3 Jahren Abstinenz getan!

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Quellen:
wyscout.com
transfermarkt.de
https://www.instagram.com/p/CQWPw8lrH-c/?hl=de
anonym, Preußenstadion Münster, CC BY-SA 3.0

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