Holstein Kiel in der Analyse: zu wenig Balance – zu viele Aussetzer?

Fehlende Balance im Kieler Spiel?

Der Blick auf das Torverhältnis von Holstein Kiel dürfte die aktuelle Lage wohl am besten beschreiben. Einerseits stellt man mit 25 erzielten Toren die zweitbeste Offensive der Liga hinter dem SC Paderborn. Andererseits musste man im Gegenzug mit 26 Gegentoren die zweitmeisten der Liga schlucken. Insgesamt 51 Tore in 14 Begegnungen – somit fallen in Partien mit Kieler Beteiligung im Schnitt über 3,6 Tore pro Spiel – Topwert der Liga! Während das regelmäßige Spektakel beim neutralen Zuschauer für einen hohen Unterhaltungswerte sorgt, dürfte der ein oder andere KSV-Fan gelegentlich die Haare raufen. Zwar konnte man in 9 Spielen mindestens zwei Tore erzielen. Jedoch musste man ebenso in 7 Spielen mindestens zwei Gegentore einstecken – deutlich zu viel!



Nicht mehr als eine Mittelfeldmannschaft?

Die Dysbalance im eigenen Spiel sorgt für eine ausgeglichene Bilanz in der Tabelle: mit 5 Siegen, 5 Unentschieden und 4 Niederlagen findet man sich auf Platz 8 wieder. Angesichts der Stärke der 2. Bundesliga ist ein Platz im Mittelfeld für die „Störche“ keineswegs ein schlechtes Ergebnis, wie auch Trainer Marcel Rapp feststellt:

Grundsätzlich sind wir mit den 20 Punkten stand jetzt zufrieden, aber es sollten noch einige dazukommen, um sorgenfrei in die Rückrunde zu gehen.

Obwohl man sich zufrieden gibt, schwingt das Gefühl mit, es wäre mehr möglich im hohen Norden. Insbesondere wenn man die Spiele der Kieler im Detail betrachtet.  Die bisherigen Phasen in der Saison, in der man abwechselnd mal mehr und mal weniger punktete, schlagen sich auch in einzelnen Spielen nieder. Zu selten schafft man es eine gute Leistung über 90 Minuten abzurufen. Besonders negativ stechen dabei die Phasen vor Ende der beiden Halbzeiten heraus. Sowohl von Minute 31-45 als auch von 76-90 kassierte man mit je 8 Gegentoren die meisten der Liga. Durchaus ein Indiz dafür, dass mit zunehmender Spieldauer die Konzentration der Mannschaft leidet.

Auch unter Rapp: Holstein Kiel mit spielerischem Ansatz

Es wird immer wieder Rückschläge geben, aber grundsätzlich stimmt die Richtung, in die wir wollen.

Nichtsdestotrotz ist Trainer Michael Rapp mit der Entwicklung seiner Mannschaft zufrieden. Sowohl im Spielaufbau als auch in der Positionierung der Spieler sieht Rapp seit seinem Amtsantritt vor über einem Jahr stetig Verbesserungen. Ebenso sei man im Spiel mit Ball einen Schritt weitergekommen und ist flexibel genug, mehrere Grundformationen zu spielen. Ohnehin ist Holstein Kiel schon seit Jahren dafür bekannt, aktiv das Spiel gestalten zu wollen und stets die spielerische Lösung zu suchen. Michael Rapp geht diesen „Kieler Weg“ auch in dieser Saison weiter, wie ein Blick auf die Performance-Daten der Störche zeigt.

Viele Chancen – viele Tore

Wie schon die Torausbeute vermuten lässt, ist die Offensive das Prunkstück der KSV. Nur Düsseldorf und Paderborn erzeugen im Durchschnitt pro Abschluss hochkarätigere Chancen als Holstein. Mit der Verwertung dieser Chancen kann man ebenfalls zufrieden sein. Während der expected goals (erwartbare Tor anhand Chancenqualität) rund 26 Tore hergibt, steht man diesem Wert mit 25 erzielten Tore nur minimal nach. Wichtiges Stilmittel bei der Torerzielung sind bisher Standardsituationen. Mit 10 Toren nach Eckball, Freistoß oder Elfmeter ist man in dieser Disziplin ligaweit am gefährlichsten.



Mit Kurzpassspiel in die Offensive

Die Standardstärke der Störche bedeutet allerdings nicht, dass man vom spielerischen Weg abweicht. In über 70% der Spiele ist man mit einem durchschnittlichen Ballbesitz von 55% die tonangebende Mannschaft im Ballbesitzspiel. Durch schnelle Kurzpassstafetten und mit möglichst wenig langen Bälle sucht man durch variables Aufbauspiel den Weg ins offensive Drittel. Fast schon typisch für das Kieler Spiel ist der tödliche Pass hinter die letzte Kette des Gegners. Keiner Mannschaft der 2. Liga spielt diesen Pass präziser als die Störche, weshalb man immer wieder zu guten Abschlussmöglichkeiten kommt.

Problemzone Abwehr

Größte Problemzone der Mannschaft von Marcel Rapp ist und bleibt die Defensive. Die 26 Gegentore sind bei weitem kein Zufall. Denn auch der expected goals against-Wert mit rund 25 bewegt sich in diesen Sphären und ist der drittschwächste der Liga. Doch was sind die Gründe dafür, dass die KSV dem Gegner zu viele gute Einschusschancen gewährt?

Hohe Intensität gegen den Ball

Gegen den Ball ist die Intensität erhöht im Vergleich zum letzten Jahr.

Laut Marcel Rapp liegt es zumindest nicht an der Intensität beim Spiel gegen den Ball. Tatsächlich ist man in dieser Disziplin weit oben in der Liga. Nur der 1. FC Magdeburg führt mehr Defensivaktionen pro Minute gegnerischen Ballbesitzes aus. Untermauern lässt sich dies durch die Laufleistung der Störche. Sowohl bei gelaufenen Kilometer als auch bei der Anzahl der Sprints gehört man zum oberen Drittel der Liga. Nicht fern liegt in diesem Zusammenhang die hohe Aktivität beim Pressing. Auch hier stören nur wenige Teams der 2. Bundesliga den gegnerischen Spielaufbau früher. Dabei scheinen Rapp und seine Mannschaft ein sehr gutes Timing für hohe Pressingaktionen zu haben. Mit einer Erfolgsquote von beeindruckenden 55% ist man die Nummer 1 der Liga was Pressingeffizienz betrifft.



Kleine Unkonzentriertheiten mit großer Wirkung

„Man muss die kleinen Dinge gut machen.“

Zieht man nun noch mit in Betracht, dass die Störche die zweitbeste Zweikampfquote der Liga vorweisen können, tut man sich sehr schwer mit der Ursachenforschung bezüglich der defensiven Instabilität. Trainer Marcel Rapp wird nicht müde zu betonen, dass die kleinen Dinge oftmals den Unterschied im Fußball machen. Wie die zahlreichen statistischen Parameter zeigen, macht man viele Dinge über weite Phasen grundsätzlich richtig. Was diese Durchschnittswerte allerdings nicht verraten, sind die Ausschläge nach unten, die offensichtlich vorhanden sind. Wie bereits die Verteilung der Gegentore zeigt, ist man nicht in allen Momenten des Spiels zu 100% auf der Höhe. So ist es die Summe kleiner Unkonzentriertheiten, die am Ende zu vielen Gegentoren führt. Die gute Nachricht dabei ist, dass man sich grundsätzlich auf dem richtigen Weg befindet. Zumal diese Art von Fehlern durchaus abstellbar ist. Nun ist es an Trainer und Mannschaft, diese unkonzentrierten Phasen auf ein Minimum zu reduzieren und auch in den wichtigen und richtigen Momenten präsent zu sein.

Richtungsweisende Woche

In welche Richtung es für die Störche in dieser Saison noch geht, könnte die letzte Woche vor der WM-Pause zeigen. Hingegen feststehen dürfte bereits, dass man sich gegen Karlsruhe, St. Pauli und Hannover kaum einen Aussetzer leisten kann. Sollte der Mannschaft von Marcel Rapp dies gelingen, so könnte es noch eine aus positiver Hinsicht spannende Saison für die Fans von Holstein Kiel werden.

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Quellen:
wyscout.com
whoscored.com
bundesliga.de
transfermarkt.de
instat.com
Matthias Hermann, Holstein-Stadion Westribüne, CC BY-SA 3.0 DE

1 Kommentar zu „Holstein Kiel in der Analyse: zu wenig Balance – zu viele Aussetzer?“

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