Farke & Gladbach: Zeit für ein Zwischenfazit







Wir haben 2 Tore erzielt, die kannst du ja so 1 zu 1 ins Poesiealbum hängen für Ballbesitzfußball. Von der Spieleröffnung bis zum Abschluss.

Nach dem extrem wichtigen Sieg am Freitagabend gegen den VfB Stuttgart zeigte sich Daniel Farke erleichtert und glücklich. In der Tat wurden die Tore zum 1:0 und 2:0 nahezu perfekt aus dem eigenen Positionsspiel heraus kreiert. Ohnehin erhoffte man sich durch den Trainerwechsel von Adi Hütter auf Daniel Farke die Rückkehr zu den „Basics“ der Vereinsphilosophie – einem technisch anspruchsvollen, dominanten und ballbesitzorientierten Fußball. Wie viel seiner taktischen und spielerischen Vorstellungen konnte Farke bereits umsetzen?

 

  1. Vergleich zur Vorsaison
  2. Farkes Spielstil bei der Borussia
  3. Entwicklung oder Stillstand?
  4. Hat die Borussia ein Fitnessproblem?

 

Vergleich zur Vorsaison

Vergleich der relevanten Performance-Daten mit der Gladbacher Saison unter Hütter – jeweils pro 90 min.

21/22 Saison 22/23
1,59 : 1,79 Tore : Gegentore 1,77 : 1,54
1,63 : 1,75 XG : XGa 1,73 : 1,56
1,32 Punkte 1,46
52,9 Ballbesitz 52,5
454 (85,3) Gespielte Pässe (angekommen in %) 445 (85,1)
9,21 Lange Pässe (in %) 9,72

Die Konsequenz und Durchschlagskraft ist in beiden Strafräumen deutlich besser – die anderen Werte sind vergleichbar mit dem Niveau der Hütter-Saison. Grund zur Sorge? Nicht wirklich – wie so häufig steckt die Wahrheit im Detail.

21/22 Saison 22/23
1,7 Großchancen 2,1
0,12 xG pro Schuss 0,15
0,14 xGa pro Schuss 0,12
27 (53) Dribblings (erfolgreich in %) 21 (60)
13,5 (39) Schüsse (aufs Tor in %) 11,6 (47)

Ein weiterer Faktor, der ganz klar pro Farke spricht, ist der Formanstieg einzelner Spieler. Prominentestes Beispiel ist sicherlich Marcus Thuram, der in den bisherigen 15 Pflichtspielen sagenhafte 15 Scorerpunkte (Vorsaison 4 Scorer in 23 Partien) beisteuern konnte und als alleinige Sturmspitze vollauf überzeugt. Der Franzose ist sicherlich nicht der einzige Spieler, der unter dem neuen Coach der Borussen zu alter Stärke zurückfand – unter anderem Ramy Bensebaini könnte man im selben Atemzug erwähnen.

 

Farkes Spielstil bei der Borussia

Qualität vor Quanität – so könnte man den Ansatz von Daniel Farke auf den Punkt bringen. Der 46-Jährige legt deutlich mehr Wert auf gelungene und gefährliche Aktionen im letzten Drittel als sein Vorgänger. Die beste Schussgenauigkeit und die erfolgreichste Quote im offensiven 1-gegen-1 der Bundesliga können die Fohlen vorweisen. Dass die Borussia in dieser Saison die ligaweit mit Abstand wenigsten Flanken schlägt, passt dabei ebenfalls ins Bild. Dasselbe kann man behaupten, wenn man einen Blick auf die Ballverluste wirft – in der Hinsicht hat die Borussia die drittwenigsten vorzuweisen.

Gegen den Ball ist die Borussia passiver als unter Vorgänger Hütter, der sich aber bekanntermaßen auch mehr über Pressing- und Gegenpressing definiert als Farke. Die Borussia presste zwar unter anderem im letzten Spiel gegen die Stuttgarter Schwaben phasenweise sehr hoch im 442, ist aber insgesamt dennoch ein Team, das direkte Duelle im Spiel gegen den Ball scheut. Dass gegen Gladbach die wenigsten langen Bälle der Liga geschlagen werden, bestätigt die durchaus abwartende Haltung in der Defensive. Kein Team führt weniger Zweikämpfe als die Fohlen, die sich in der Raumverteidigung deutlich wohler fühlen. Am wohlsten fühlt man sich aber mit dem Ball am Fuß, wie auch Jonas Hofmann klarstellte: „Man sieht, dass wir einfach eine hohe Spielfreude und Spielintelligenz haben.“ 

 

Entwicklung oder Stillstand?

Wir wollen eine stabile Saison spielen.
Farke über das Saisonziel der Fohlen.

Dass die Borussia unter Farke eines von relativ wenigen Teams in Deutschland ist, das gerne den Ball hat und die Initiative im Spielaufbau übernimmt, war früh in der Saison erkennbar. Nach zwischenzeitlich 3 Niederlagen in Folge kamen vereinzelte skeptische Fragen nach der Entwicklung auf. Nicht zu vergessen sind die letzten Jahre, die alles Andere als erfolgreich für die Elf vom Niederrhein verliefen. Addiert man die Saisons 20/21 und 21/22 liegen die Fohlen auf Platz 9 der Liga – besorgniserregend: nur die Hertha aus Berlin kassierte in diesem Zeitraum mehr Gegentore als Gladbach (117). Bedenkt man außerdem, dass der in der Breite ohnehin dünn besetzte Kader mit Sommer, Itakura, Koné,  Neuhaus oder Elvedi auf wichtige Stammspieler verzichten musste, erscheint die bisherige Punkteausbeute doch absolut in Ordnung.







Dass Farke durchaus flexibel ist, zeigte sich beispielsweise in den Partien gegen RB Leipzig als die Borussia extrem früh und mannorientierter presste oder auch zuletzt in Berlin gegen Union, wo Farke einen deutlich defensiveren Ansatz wählte. Den größten Schritt nach vorne sah man vielleicht bei den Toren zum 1:0 und 2:0 gegen den VfB Stuttgart. Agierte Gladbach zu Beginn der Saison noch sehr viel in kleinen und engen Räumen, wurde diesmal deutlich mehr verlagert und vor allem war deutlich mehr Bewegung im eigenen Positionsspiel vorhanden. Die häufigeren Tiefenläufe und Gegenbewegungen waren für die VfB-Abwehr nur schwer zu greifen und machen Mut für die kommenden Aufgaben.

 

Spielaufbau von Gladbach im eigenen Ballbesitz unter Farke.
Struktur im Spielaufbau am Freitag gegen den VfB Stuttgart – häufig (so auch vor dem 1:0 und 2:0) baute die Borussia aus dem 3-1-5-1 auf und interpretierte dies sehr dynamisch.

 

Hat die Borussia ein Fitnessproblem?

Laufdistanz, Sprints, Intensive Läufe – das „Problem“ bei diesen Daten dürfte den meisten Fans der Borussia bekannt sein. Die Fohlen belegen in den Parametern Platz 17, 17 und 18. Ist das wirklich ein Problem?

Die Laufleistung hat keine Korrelation zum Ergebnis. Es wird oftmals hergezogen, wenn es zum Ergebnis passt, sprich nach dem Spiel, um zu beweisen, dass eine Mannschaft fleißiger war als die andere. Aber es gibt keine Korrelation.
Thomas Tuchel – angesprochen auf die Wichtigkeit der Laufleistung.

Auch aus unserer Sicht haben diese Daten nur wenig Aussagekraft, sondern sind viel mehr erklärbar durch den Gladbacher Spielstil und deren Spielertypen. Noch weniger Sprints als die Borussia hat übrigens? Richtig, Union Berlin – bei den Eisernen würde vermutlich keiner auf die Idee kommen, dass Einsatz/Intensität oder Ähnliches fehlt. Problematisch bei der Borussia ist stattdessen, dass man mitunter das Vertrauen in die eigenen technischen Stärken verliert. Hin und wieder agiert man zu oft mit unnötig langen Bällen, die keine eigene Stärke sind – schließlich hat man hier die schwächste Passquote der Liga. Lässt die Borussia hingegen den Ball am Boden und mit Geduld zirkulieren, sieht es deutlich besser aus. Vermutlich hat man auch deshalb den Eindruck, dass durchaus mehr drin gewesen wäre als die bisherigen 19 Punkte, was auch Jonas Hofmann indirekt bestätigt:  „Ich würde mir manchmal wünschen, wir würden es noch öfter abrufen.“ 

Farke konnte bereits einige neue Impulse setzen, benötigt aber selbstverständlich Zeit. Auch der Kader braucht noch einige Veränderungen, um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Ein Blick auf Farkes Vergangenheit zeigt, dass er etwas entwickeln kann. Mit Norwich landete er in seiner ersten Saison auf dem 14. Platz – ein Jahr später stand die Meisterschaft und der damit verbundene Aufstieg in die Premier League. Das Ballbesitzspiel der Gladbacher ist phasenweise schon sehr weit, es fehlt aber noch an Konstanz und Konzentration im eigenen Spiel. Kann man dies abstellen, wird man das gewünschte und dominante Zentrumsspiel bald regelmäßig im Borussia-Park beäugen können – anderenfalls droht erneut ein Platz im Niemandsland der Tabelle.

 

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Quellen:
wyscout.com
whoscored.com
bundesliga.de
transfermarkt.de
understat.com

instat.com
ZakNelson1995Daniel FarkeCC BY-SA 4.0






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