Was hat sich unter Sandro Schwarz verbessert?
Es geht darum, dass wir eine gewisse Aktivität und Intensität in unser Spiel reinbringen.
Bobic und Schwarz über die Spielidee vor der Saison.
In der abgelaufenen Saison war man über weite Phasen sehr passiv und offensiv ideenlos. Mit Ausnahme des Berlin-Derbys konnte man in allen bisherigen Ligaspielen vor allem mit mannschaftlicher Geschlossenheit überzeugen – auch ein Manko in den letzten Jahren. Selbstverständlich ist noch nicht alles gut – aber erste Ansätze und Verbesserungen unter Sandro Schwarz sind bereits sichtbar.
Im Spiel mit Ball setzt man bis dato nach wie vor auf recht wenig Ballbesitz (Platz 16 mit 44% im Schnitt), verzichtet dabei aber dennoch größtenteils auf lange Bälle (nur ca. 12%) im Spielaufbau – dies belegt auch die Passquote, die mit 80% im mittleren Drittel anzusiedeln ist.
Auch in Sachen Offensive sind Verbesserungen erkennbar – waren es im Vorjahr nur rund 10 Torschüsse im Spiel der Berliner, sind es derzeit über 13. In dieser Statistik verbesserte man sich somit von Platz 17 unter Korkut und Co in die obere Tabellenhälfte unter Schwarz.
Im Vorwärtsgang sucht die Hertha viele 1 gegen 1 Duelle mit ihren schnellen und technisch starken Flügelspielern, die viele Angriffe initiieren sollen. Ligaweit hat die Hertha die drittmeisten Dribblings bestritten, lediglich Frankfurt und RB Leipzig haben zu diesem Zeitpunkt mehr.
Dass diese Herangehensweise durchaus Erfolge mit sich bringt, deutet sich an. Mit 79 Ballkontakten im gegnerischen Sechzehner steht man hier auf einem soliden 10. Platz – in der Vorsaison war man auch in dieser Kategorie abstiegsreif. Ähnlich verhält es sich mit den expected Goals. Die aktuellen 1,2 erwarteten Tore im Schnitt sind zwar noch ausbaufähig, aber bereits ein Fortschritt um 0,2 zum letzten Jahr.
Auffällig ist, dass die Alte Dame wieder als Team fungiert und funktioniert. Auch zuvor oft lustlos wirkende Spieler sind sich für die sogenannte „Drecksarbeit“ nicht zu schade. Die Hertha agiert wieder als Kollektiv und gewinnt nicht von irgendwoher derzeit die viertmeisten Zweikämpfe aller Bundesligisten.
Sandro Schwarz – endlich wieder Kontinuität?
Seit Pál Dárdais erster Amtszeit schaffte es kein Trainer bei der Hertha mehr, eine ganze Saison im Amt zu sein. Covic, Klinsmann, Nouri, Labbadia, erneut Dárdai, Korkut und zuletzt Magath waren nur Teilzeitkräfte. Die Sehnsucht nach Kontinuität und Ruhe in Verein und Umfeld ist groß – verständlich! Auch wenn Sandro Schwarz bei seiner letzten Station in Moskau bewies, dass er das Zeug dazu hat, wurde er von einigen Teilen sehr skeptisch betrachtet. Auch wenn die Ergebnisse noch ausbaufähig sind, zeigt sich ein neuer Spirit im Team der Berliner, der sicherlich auch Sandro Schwarz zuzuschreiben ist.
Dass Schwarz taktisch flexibel ist, zeigte er nicht zuletzt in Augsburg. Mehrmals feilte er an Raumbesetzung und Personal, ehe er am Ende auch das System umstellte. Weg vom 4-3-3 hin zum 5-3-2 – und beruhigte die Partie dadurch. Insgesamt ist es sicherlich kein Champagner-Fußball, den die Hertha aktuell bietet, aber das war jedem vor der Saison klar.
In Sachen Pressing, Spielaufbau und Verteidigung sind klare Fortschritte zu sehen. Wobei man beim Pressing differenzieren muss – im Mittelfeldpressing fühlt man sich wohl und verdichtet die Räume gut bzw. sticht gut aus diesem heraus, in höheren Pressingzonen fehlt oftmals noch das Timing – gegen Dortmund wurde dies mitunter zum Verhängnis als man so regelmäßig recht einfach überspielt wurde.
Der Kader gibt für Sandro Schwarz aber auch nicht sonderlich viele Möglichkeiten her. In der Breite fehlt es an Qualität, auch verschiedene Positionen sind qualitativ nicht sonderlich hochwertig besetzt. Insgesamt ist der Kader als Bundesligadurchschnitt zu bezeichnen. Transfermarkt.de listet den Kader in der Marktwerttabelle auf Platz 12, was eine realistische Einschätzung ist.
Das Bundesliga-Mittelfeld ist dieses Jahr qualitativ aber durchaus hochwertig, was es für Sandro Schwarz und die Hertha nicht leichter macht, eine sorgenfreie Saison zu spielen.
Hertha Players to watch: Lukébakio und Christensen
Er gehört zu den Spielern, die man auch mal in den Arm nehmen muss.
Friedhelm Funkel, unter dem Dodi Lukébakio die erfolgreichste Zeit seiner Karriere verbrachte, über den belgischen Offensivspieler.
Dodi Lukébakio steht symptomatisch für den neugewonnen Teamgeist im Spiel der Berliner. Der schnelle Belgier wurde oft als lustlos abgestempelt, der sich für Defensivarbeit zu schade ist. Unter Sandro Schwarz erinnert er wieder an den Lukébakio aus Düsseldorfer Zeiten. Mit verbesserter Körpersprache und Einstellung ist auch das Selbstvertrauen des Offensivspielers zurück. 43 Dribblings und somit ligaweit die meisten hat der Belgier in dieser Saison bestritten – auch die Erfolgsquote ist in den Top 5% aller Spieler der internationalen Top-Ligen. Mit 5 Scorerpunkten in den bisherigen 6 Pflichtspielen zahlt er das Vertrauen, das Schwarz in ihn hat, zurück. Lukébakio und Hertha – Liebe auf den zweiten Blick? Aktuell sieht es danach aus!
Ein weiterer positiv überraschender Spieler ist Torhüter Oliver Christensen. Die Nummer 1 glänzt in Sachen Positionierung und Spielverständnis. Er verfolgt das Spiel sehr aufmerksam und wählt dementsprechend klug seine Position – ein gutes Gefühl für den richtigen Raum macht es möglich. In torwart-technischer Hinsicht offenbart der Däne hin und wieder noch Probleme. Seine Handhaltung ist oft nach unten gerichtet oder hinter dem Körper, wodurch er einiges an Reaktionszeit verliert. Der bewegliche Torwart überzeugt vor allem durch sein mutiges Spiel – immer wieder ist er aktiv hinter der Abwehrkette und spielt auch bei Standards viel mit.
Auch statistisch lassen sich die guten Leistungen Christensens belegen. Chancentechnisch hat die Hertha bereits 8,88 xG (expected Goals) zugelassen – lediglich 6 hat man kassiert. Auch die Quote bei gehaltenen Bällen von über 76% ist ein starker Wert. Besonders auffällig: Die Anzahl an Abwehraktionen außerhalb des eigenen Sechzehners – hier steht der Torwart im internationalen Vergleich in den Top 5% in Europas Top-Ligen. Ein Beleg für die mutige Spielweise der jungen Berliner Nummer 1.
Sandro Schwarz und Hertha: Auf zum nächsten Sieg?
Ergebnisse beschleunigen immer den Entwicklungsprozess.
Sandro Schwarz nach dem Sieg in Augsburg.
Der erste Dreier tut allen Beteiligten gut. Dem Selbstvertrauen der Spieler, ihrem Glauben an Sandro Schwarz‘ Ideen und natürlich auch im Hinblick auf die Tabelle. Schwarz unterstrich die Wichtigkeit des verdienten ersten Erfolgs in den Interviews danach mehrfach. In den nächsten Spielen wird sich zeigen, wo die Reise für die Berliner hingeht. Schon im kommenden Heimspiel gegen Leverkusen wird der nächste Sieg angestrebt – durchaus darstellbar gegen die derzeit taumelnde Werkself, die mit viel Druck auf den eigenen Schultern anreisen wird. Die bisherigen Ansätze unter Sandro Schwarz sind vielversprechend und machen Mut auf eine sorgenfreiere Saison als in der abgelaufenen Spielzeit.
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Beitragsbild bestehend aus: Вячеслав Евдокимов, Sandro Schwarz 2021, Hintergrund, CC BY-SA 3.0