Nach zwei gespielten Minuten mit 1:0 in Führung und ein Mann mehr. Besser hätten die ersten Momente der neuen Saison für Timo Rost bei Erzgebirge Aue kaum sein können. Dass man nach 9 Spieltagen immer noch keinen Sieg auf der Habenseite verbuchen konnte, hätten man nach diesem Start wohl kaum vermutet. Denn trotz numerischer Überlegenheit kam man am 1. Spieltag nicht über ein 1:1 gegen den SC Freiburg II hinaus. Im Nachhinein betrachtet ein Sinnbild der kurzen Amtszeit von Timo Rost beim FC Erzgebirge Aue. Während in der Offensive der letzte Punch fehlte, war man auch defensiv alles andere als unverwundbar. Doch wie kam es soweit, dass der durchaus aufstiegsambitionierte FC Erzgebirge nach 9 Spielen noch sieglos in der dritten Liga dasteht?
Wenig Chancen – wenig Tore
Nur 5 Tore in 9 Spielen – viermal ohne eigenen Treffer und in keiner Partie erzielte man mehr als ein Tor. In Rosts kurzer Amtszeit fehlte es eindeutig an offensiver Durchschlagskraft. Statistisch gesehen konnte sich die Rost-Elf einen erwartbaren Tor-Wert anhand der Chancenqualität von knapp 8 xG erspielen – ebenso Tiefstwert wie die tatsächliche Torausbeute. Zwar gab man durchschnittlich immerhin fast 12 Abschlüsse pro Spiel ab, jedoch waren diese meist nicht von hoher Qualität. Den Veilchen fehlte ein Konzept im Spiel nach vorne – bzw. Timo Rost konnte seine Spielidee nicht auf die Mannschaft übertragen.
Man kann nicht davon ausgehen als Zweitligaabsteiger die 3. Liga zu dominieren – das wird nicht funktionieren.
-Timo Rost vor dieser Saison
Ideenlos nach vorne
Es ist nicht sonderlich überraschend, dass Aue mit einem durchschnittlichen Ballbesitz von 48% zum unteren Drittel der Liga gehört. Timo Rost steht für ein schnelles, geradliniges Spiel nach vorne, ohne sich lange mit Ballstafetten in der eigenen Hälfte aufzuhalten. Allerdings fehlte dem FCE die Ruhe am Ball, um sich vielversprechend ins letzte Drittel zu kombinieren. Lediglich 6,82 Pässe pro Ballbesitzphase (PPDA against) konnte man spielen, ehe man vom Gegner in einen Zweikampf verwickelt wurde. Bei keiner Mannschaft der dritten Liga war dieser Wert geringer. Folglich wusste sich die Mannschaft häufig nur mit langen Bällen zu helfen, wodurch ein kontrolliertes Spiel nur schwer möglich war. Passend zur Auer Ideenlosigkeit spielte man bisher die zweitmeisten Flanken. Ein durchaus probates Mittel, wenn man einen 1,92m-großen Stürmer wie Boris Tashchy im 16er stehen hat. Aufgrund der fehlenden Variabilität im Auer Spiel allerdings sehr vorhersehbar, weshalb die Hereinabgaben an den ebenfalls großgewachsenen Innenverteidigern des Gegners abprallten. Demensprechend steht man auch bei Ballkontakten im gegnerischen 16er ganz weit unten in der Statistik, weshalb es nur wenig vielversprechende Chancen für die Veilchen gab.
Nur einmal ohne Gegentor
Wer vorne kaum Tore macht, muss zumindest hinten die Null halten, um punkten zu können. Doch auch das gelang dem FCE nur einmal bisher in dieser Saison. Mit 15 Gegentoren in 9 Spielen gehört man ebenfalls zum unteren Drittel der Liga. Jedoch konnte man bis auf München und Wiesbaden in jedem Spiel einigermaßen den Laden dich halten. Zusätzlich zu den drei Remis verlor man viermal mit nur einem Tor Unterschied. Durchaus knapp, aber dennoch ausreichend für den Gegner, da die Auer Offensive nur wenig entgegensetzen konnte. Dass beim Fußball Glück und Pech manchmal ganz nah beieinander liegen, zeigt der Blick auf die erwartbaren Gegentore. Hier liegt Aue mit 11,65 xGA fast gleichauf mit der besten Defensive der Liga aus Saarbrücken, die allerdings 10 Gegentore weniger als der FCE schlucken mussten. Was man auf dem ersten Blick als gnadenlose Effektivität des Gegners bezeichnen könnte, hängt auch mit der Qualität der Chancen zu. Zwar hat man die zweitwenigsten Schüsse der Liga zugelassen, jedoch waren diese einzeln betrachtet sehr gefährlich. Während die Gegentor-Wahrscheinlichkeit pro gegnerischen Abschluss bei Saarbrücken durchschnittlich bei unter 9% lag, war diese bei den Veilchen mit über 14% deutlich höher. Ein klares Indiz dafür, dass auch defensiv längst nicht alles passte, wodurch der Gegner regelmäßig in gute Abschlusspositionen kam.
Keine Konstanz, keine Führung, keine Punkte
Erklärungsversuche, wieso Timo Rost seine Vorstellungen nicht erfolgreich auf die Mannschaft übertragen konnte sind natürlich spekulativ und vielschichtig. Zum sportlichen Misserfolg kamen viele Störfeuer neben dem Platz. Nicht verschwiegen werden sollte in diesem Zusammenhang auch das schwere Auftaktprogramm mit vielen Aufstiegsaspiranten. So beträgt der durchschnittliche Tabellenplatz der bisherigen Gegner 7,6. Zudem fehlte auch das nötige Spielglück. Bereits fünfmal verwehrte das Aluminium des gegnerischen Gehäuses einen Treffer. Da man auch selbst viermal von Pfosten und Latte profierte, relativiert sich dieser Wert.
Was sich Timo Rost definitiv vorwerfen lassen muss, ist fehlende Konstanz – sowohl was Leistung als auch auf Aufstellung betrifft. Zu oft wechselte Rost Formation und Personal und fand nie zu einer Stamm-Elf. Dabei hatte der Übungsleiter doch großes Mitspracherecht bei der Zusammenstellung des Kaders. Insgesamt 18 Spieler wechselten im Sommer ins Erzgebirge. Dass ein derart großer Umbruch Zeit benötigt, ist selbstredend. Allerdings sind 3 Punkte nach 9 Spielen ohne erkennbare Weiterentwicklung zu wenig für einen Verein wie Erzgebirge Aue. Auch Rosts offene und direkte Art, die man durchaus als positiv bewerten kann, war scheinbar nicht das richtige Mittel, wie man aus den durchwachsenen Leistungen der Führungsspieler interpretieren könnte. Stattdessen zählte Rost seine Führungsachse öffentlich an:
Unsere Achse besteht eigentlich aus Klewin, Sorge, Taffertshofer, Nazarov und Huth. Diese fünf müssen eigentlich diesen Rhythmus vorgeben. Aber sie bekommen es im Moment noch nicht so hin, um Spiele zu gewinnen. Das muss schleunigst besser werden – oder es müssen sich eben andere Spieler herauskristallisieren.
-Timo Rost nach der Niederlage am 7. Spieltag gegen RW Essen
Letztendlich gab es viele Dinge, die nicht gepasst haben. Warum genau es zwischen Rost und Aue nicht funktionierte, bleibt Spekulation. Dass Rost ein guter Trainer ist, bewies er eindrucksvoll zuvor bei der SpVgg Bayreuth. Sicherlich haben auch die Spieler ihren Anteil an der Auer Misere. Eines steht jedoch fest: wer auch immer der neue Mann an der Seitenlinie im Schacht wird, steht vor einer großen Aufgabe. Insbesondere offensiv bedarf es kreativer Lösungen. Möglicherweise stände dem aktuellen Kader ein dominanterer Spielstil zu Gute, denn Rosts schneller Umschaltfußball scheint gescheitert. Die Entscheidung, wer die Veilchen zurück in ruhigere Fahrwasser bringen sollen, sei folglich sehr gut überlegt.
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Quellen:
Hintergrundbild: MAyo, Erzgebirgsstadion im Juni 2018 2, CC BY-SA 4.0
Daten: wyscout.com