Platz 11 und 13 in den letzten beiden Saisons sprechen Bände. Bei Hannover 96 lief in den letzten Jahren einiges schief. Die Sehnsucht nach besseren Zeiten ist groß. Der erste Eindruck für die neue Saison ist durchweg positiv. Mit Trainer Leitl und einigen Neuzugängen stehen die Zeichen klar auf Angriff.
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Hat Hannover 96 das Zeug für den Aufstieg in die Bundesliga?
- Blick geht nach oben
- Hoffnungsträger Stefan Leitl
- Hannovers Kaderplanung
- Mögliche Aufstellung und Prognose
Blick geht nach oben
Nach dem Abstieg 18/19 bekleckerten sich die Niedersachsen nicht mit Ruhm. Mirko Slomka, Kenan Kocak, Jan Zimmermann und Christoph Dabrowski schafften es alle nicht, Hannover 96 wieder in tabellarisch höhere Gefilden zu versetzen. Auch auf dem Posten des Sportdirektors konnte keine Ruhe einkehren.
Ein gewisser Anspruch muss schon sein.
Martin Kind über die kommende Spielzeit. Das obere Drittel ist das Minimalziel.
Nun soll alles besser werden! Mit Stefan Leitl und Marcus Mann sind die wichtigsten Positionen frühzeitig besetzt. Clubchef Kind macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen, möglichst bald wieder Bundesligafußball in der HDI Arena sehen zu wollen. Der Etat beträgt 40 Millionen, von dem 17 Millionen für Spieler und Trainer zur Verfügung stehen. Die Voraussetzungen sind somit nicht die schlechtesten. Erstmals seit dem Abstieg scheint man zudem wieder klare Vorstellungen in Sachen Fußball und Kader zu haben. Zum Vergleich: Die Fürther Aufstiegsmannschaft unter Leitl kostete lediglich 10 Millionen.
Hoffnungsträger Stefan Leitl
Unter anderem bei der Hertha und auf Schalke war Stefan Leitl im Gespräch. Der Trainer entschied sich aber zur Verwunderung vieler für den Zweitligisten Hannover 96. Seinen Abschied aus Fürth gab der gebürtige Münchner kurz nach dem besiegelten Abstieg der Franken bekannt. Bei den Kleeblättern munkelt man, ob sich Hannover und Leitl nicht schon seit der Winterpause einig sind und insgeheim den Kader der Niedersachsen planen. Stefan Leitl ist hoch anzurechnen, dass er nicht den schnellstmöglichen Weg zurück in die Bundesliga gewählt hat, sondern die seriöse Station Hannover bevorzugte.
Das ausschlaggebende Argument könnte die gemeinsame Vergangenheit mit Sportdirektor Marcus Mann gewesen sein. Beide kennen sich aus ihrer Darmstädter Zeit als Spieler.
Leitls Philosophie
Es macht den Anschein als würde Stefan Leitl auch in Hannover seine favorisierte Mittelfeldraute im 4-4-2 System. spielen lassen. Mit dem Kleeblatt gelang ihm so der sensationelle Aufstieg.
Der neue Trainer legt Wert auf zwei spielstarke Innenverteidiger. Die Außenverteidiger agieren im Ballbesitz fast schon als Flügelspieler und müssen ein sehr hohes Pensum abspulen. Der alleiniger Sechser agiert als eine Art Anker – stets anspielbar und wichtig für die Absicherung. Die beiden Achter sollen bestmöglich ballsicher und dynamisch sein. Im Sturm hat Leitl gerne einen spielstarken Stürmer. Der andere soll oft die Tiefe belaufen und je nach Situation auch mal das Zentrum für den Zehner freiziehen.
Die Raute wird aber keinesfalls starr und ohne Positionsrochaden gespielt. Gerade gegen den Ball wird es oft zum 4-3-3, da die beiden Stürmer die äußeren Halbräume verteidigen und der Zehner hochschiebt, um die gegnerischen Innenverteidiger zu pressen. Wie könnte das bei Hannover aussehen?
Basis bei Stefan Leitl ist immer ein aktiver Spielansatz. Hannover wird in der kommenden Saison mit Sicherheit eines von wenigen Teams sein, die den Mut besitzen, auch unter Gegnerdruck Fußball zu spielen. Gepaart mit einem hohen Angriffspressing ist es das Ziel, über Dominanz zum Erfolg zu kommen.
Hannovers Kaderplanung
Einige Transfers stehen bereits fest. Diese machen deutlich, dass man den Kader verjüngen will. Von einigen „Altlasten“ trennte man sich und schuf Platz für entwicklungsfreudige Neuzugänge.
Zugänge | Abgänge |
Phil Neumann (24, IV/RV) | Linton Maina (23) |
Fabian Kunze (24, DM) | Marcel Franke (29) |
Max Besuschkow (25, ZM) | Niklas Hult (32) |
Enzo Leopold (21, ZM/OM) | Dominik Kaiser (33) |
Louis Schaub (27, OM) | Mike Frantz (35) |
Philipp Ochs (25) | |
Marc Lamti (21) |
Torhüter
Wenn im letzten Jahr auf einen Spieler Verlass war, dann war es Torhüter Ron-Robert Zieler (33). Auch wenn das Gehalt des ehemaligen Nationalspielers sicherlich ein üppiges ist, kann man ihm erneut eine starke Saison zutrauen. Mit Hansen (32) und Weinkauf (25) stehen dahinter gute Ersatztorhüter bereit. Von einem der beiden wird man sich wohl noch trennen. Der junge Pascal Kokott (19) soll als 3. Torhüter fungieren und in der U-23 Spielpraxis sammeln.
Rechtsverteidigung
Die Außenverteidiger sind unter Trainer Leitl eine absolute Schlüsselposition. Agiert der Ex-Fürther mit einer Raute im Mittelfeld, kommt auf die Flügelverteidiger viel Arbeit in der Offensive zu. Der Japaner Sei Muroya (28) scheint gut in das neue Konzept zu passen. Der Vertrag läuft allerdings nur noch ein Jahr. Ein großes Fragezeichen ist Jannik Dehm (26). Der ehemalige Kieler kam mit der Empfehlung von starken Spielen aus Kiel, konnte sich in Hannover aber nicht nachhaltig durchsetzen und fand sich die meiste Zeit auf der Bank wieder. Galt er vor einem Jahr noch als einer der besten Rechtsverteidiger der Liga, würde man sich nun wohl über einen Abnehmer des Großverdieners freuen, auch wenn er flexibel einsetzbar ist. Neuzugang Phil Neumann (24) kommt ebenfalls aus Kiel. Er kann sowohl als Innenverteidiger als auch rechts hinten eingesetzt werden und ist als Stammkraft eingeplant.
Innenverteidiung
Julian Börner (31) wird wohl der neue Kapitän von Hannover 96. Vor der Saison von Sheffield gekommen, entwickelte er sich schnell zum Abwehrchef und Leader. Das soll er auch in der kommenden Saison sein. Der bislang einzige Linksfuß in der Innenverteidigung ist Luka Krajnc (27). Der Slowene sagte bereits, dass er dieses Jahr angreifen will nach einer auch für ihn persönlich enttäuschenden Saison. Einsätze wird der Linksfuß sicherlich bekommen, ob es für den Stammplatz reicht, bleibt abzuwarten. Der bereits erwähnte Phil Neumann (24) ist eine wichtige Neuverpflichtung. Ohne an Qualität zu verlieren, kann Leitl den schnellen Verteidiger rechts oder zentral einsetzen. Mit unter anderem Tim Walbrecht (20) stehen dahinter junge Talente als Ersatz bereit. Fraglich ist trotzdem, ob man sich hier nicht noch verstärken sollte. Laut Aussagen der Offiziellen ist die Position auf der Prioritätenliste aber nicht weit oben.
Linksverteidigung
Die aktuell größte Baustelle im Kader. Bereits mehrfach betonte man aber, dass man intensiv nach einem Linksverteidiger sucht. Der junge Brooklyn Ezeh (20) von Viktoria Berlin würde perfekt in das gesuchte Profil passen. Bei der Viktoria agierte der gebürtige Hamburger oft als linker Schienenspieler, wodurch er den geforderten Offensivdrang mitbringt. Noch dazu arbeitet Stefan Leitl gerne mit jungen Spielern zusammen. Ein weiterer Kandidat ist der Ex-Fürther und jetzige Heidenheimer Tobias Mohr (26), der sich auch in der Offensive wohlfühlt. Der 26-Jährige wäre aber wahrscheinlich nicht ganz billig.
Defensives Mittelfeld
Bei Gaël Ondoua (26) stehen die Zeichen auf Abschied. Auch wenn der Kameruner Nationalspieler mitunter ordentliche Spiele gemacht hat, setzt man wohl nicht mehr auf ihn. Als gesetzt gilt Fabian Kunze (24). Der Sechser kommt neu vom Absteiger Bielefeld. Der zweikampfstarke Kunze wird die Rolle vor der Abwehr einnehmen und somit eine absolute Schlüsselposition inne haben. In der Hinterhand hat man einige junge Spieler. Wechselt Ondoua tatsächlich, wird man sicherlich einen adäquaten Ersatz verpflichten.
Zentrales Mittelfeld
Mit Max Besuschkow (25) gelang Hannover 96 ein echter Coup. Der Neuzugang aus Regensburg bringt alles mit, was man sich von einem modernen Achter wünscht. Ein technisch starker Spieler, der sowohl offensiv als auch defensiv viel Einfluss auf das Spiel nimmt. Gemeinsam mit Sebastian Ernst (27) könnte das zentrale Mittelfeld zu einer Waffe werden. Ernst fehlte in seiner ersten Spielzeit bei den Niedersachsen leider oft verletzt. Ist er fit, kann er ein Unterschiedsspieler sein. Dies zeigte er nicht zuletzt unter Leitl beim Fürhter Kleeblatt. Hier agierte er zumeist eine Reihe weiter vorne im offensiven Mittelfeld. Der junge Enzo Leopold (21) kommt aus der 3. Liga von der Zweitvertretung der Freiburger. Der Mann für das Mittelfeld ist technisch unglaublich stark und zudem immer in der Lage, den tödlichen Pass zu spielen.
Flügelspieler
Lawrence Ennali (20) und Sebastian Stolze (27) sind normalerweise auf dem Flügel beheimatet. In Leitls favorisiertem 4-4-2 mit Raute sind die Außen aber nicht klassisch besetzt. Gut möglich, dass die beiden ihre Chance als Achter kriegen werden und von dort aus immer wieder die breiteren Räume aufsuchen werden.
Offensives Mittelfeld
Königstransfer Louis Schaub (27) agierte bislang meistens auf der Zehnerposition. Durchaus vorstellbar, dass er in der Raute eine der Halbpositionen im Mittelfeld besetzen wird. Der Edeltechniker ist der Typ Straßenfußballer, mit Instinkt für den freien Raum – ergänzt durch einen linken Zauberfuß. Für den 29-fachen Nationalspieler Österreichs schließt sich zudem ein Kreis. Bereits sein Vater Fred lief für die Hannoveraner auf. In der letzten Saison agierte meistens Sebastian Kerk (28) im offensiven Mittelfeld. Mit 9 Toren und 5 Vorlagen war die Scorerausbeute gut. Auch wenn sein Vertrag nur noch ein Jahr läuft, wird mit dem Linksfuß weiterhin fest geplant. Mick Gudra (21) und Nick Stepantsev (20) sind zwei Talente auf dem Sprung nach oben. Ob es für den nächsten Schritt reicht wird die Vorbereitung zeigen. Leitl ist bekannt dafür, junge Spieler zu entwickeln. Sieht er in beiden (noch) keine Verstärkung, wird man gegebenenfalls nochmal aktiv.
Sturm
Im Angriff besteht dringender Handlungsbedarf. Der gesuchte Stürmer in vorderster Front wird wohl DER Neuzugang von Hannover werden, wenn man den Medien glaubt. Hier schraubt man an einer großen Lösung, was auch verständlich ist. Von den mageren 35 Treffern aus der letzten Saison kamen deutlich aus der Offensivabteilung. Von Lukas Hinterseer (31) wird man sich aller Voraussicht trennen. Der Österreicher blieb ohne Saisontreffer. Cedric Teuchert (25) kam zur Winterpause aus Berlin und konnte in der Rückrunde immerhin ab und an überzeugen. Ihn wird man wohl halten. Nach dem steilen Aufstieg aus der Regionalliga stieß in den letzten beiden Spielzeiten auch Hendrik Weydandt (26) an seine Grenzen. Eine Verlängerung der Leihe von Maximilian Beier (20) erscheint als wahrscheinlich. Der junge Stürmer war letzte Saison von der TSG aus Hoffenheim ausgeliehen und war einer der Lichtblicke der ansonsten so trostlosen Offensive.
Die Frage ist nicht, ob ein neuer Stürmer kommt. Die Frage ist, wer und wie viele. Die größte Lösung wäre Branimir Hrgota (29). Der Fürther Kapitän versteht sich prächtig mit dem Trainer, ist aber auch im Oberhaus begehrt. Wenn man sich hauptsächlich in Deutschland umschaut, bleibt man beim Absteiger aus Dresden bei Ransford-Yeboah Königsdörffer (20) und Christoph Dafernerner (24) hängen. Trotz des Abstiegs der Ostdeutschen konnten sich die beiden Offensiven mehrfach in den Vordergrund spielen. Eine weitere große Lösung wäre Joel Pohjanpalo (27). Der Finne ist in Deutschland bestens bekannt und spielte unter anderem bereits für Bayer Leverkusen und den HSV. Der Stürmer ist der klassische Torjäger, den man im Spiel nicht oft sieht. Vor dem Tor aber eiskalt und immer für Gefahr gut.
Mögliche Aufstellung und Prognose
Die Euphorie rund um Hannover ist auf jeden Fall verständlich. Lange vor dem Trainingsauftakt sind wichtige Personalien bereits geklärt. Man konnte Spieler verpflichten, die ihre Qualitäten jahrelang unter Beweis stellten. Besonders dem Herzstück einer Raute – dem zentralen Mittelfeld – konnte man neuen Glanz verleihen. Es macht den Eindruck, als wisse man bei den Niedersachsen genau, was man möchte und was nicht. Mann und Leitl machen einen sehr harmonischen und angriffslustigen Eindruck.
Die aktuell noch vakanten Positionen (vor allem links hinten und im Sturm) wurden klar benannt. Hier ist man intensiv auf der Suche und sondiert den Markt. Gelingen dort noch sinnvolle Verstärkungen, ist mit Hannover zu rechnen. Die Konkurrenz wirkt auf den ersten Blick nicht übermächtig. Die klaren Favoriten aus Bremen und Schalke sind nicht mehr da. Mit Bielefeld und Fürth kommen vermeintlich schwächere Teams in die Liga.
Gelingt Hannover 96 ein guter Start in die Liga, ist alles möglich. Die in den letzten Jahren enttäuschten Anhänger werden dann auch wieder zahlreicher in die HDI-Arena stürmen. Auch wenn man nicht sofort die Früchte ernten kann, ist zu hoffen, dass man im Verein die Ruhe behält und den handelnden Personen Zeit zur Entwicklung gibt. Auch in Fürth brauchte Stefan Leitl 2,5 Jahre, um den nicht für möglich gehaltenen Aufstieg zu erreichen.
Die Vorfreude in und um Hannover ist so groß wie lange nicht – mit Recht!