Bayer Leverkusen – mehr als nur Verfolger?




Der nächste Schritt?

Wenn man keine großen Ziele hat, kann man nichts Großes erreichen.

Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro über die Ambitionen für nächste Saison.




Bayer Leverkusen ist seit Jahrzehnten eine Konstante in der Bundesliga. In den letzten 13 Jahren verpasste man nur einmal die Top-6. Starke achtmal konnte man sogar einen der ersten 4 Plätze erreichen. So auch zuletzt in der abgelaufenen Saison als man hinter Bayern und Dortmund den 3. Rang belegte. Mit herausragenden 80 Toren erzielte Bayer so viele Tore wie nie zuvor in der Bundesliga. Nach einem starken Start in die Saison hatte man anschließend in der Hinrunde mit mangelnder Konstanz zu kämpfen. Durch zwei enttäuschende Serien, in denen man jeweils 4 Partien in Folge nicht gewinnen konnte, verlor man den Anschluss nach ganz oben. In der Rückrunde fand die Mannschaft aber die richtigen Antworten. Punktgleich mit Pokalsieger RB Leipzig war Leverkusen die beste Mannschaft der Rückrunde. Gelingt es Bayer den Schwung mit in die neue Saison zu nehmen?

Die Rückrunden-Tabelle der abgelaufenen Saison:

Platz Verein Spiele Tordifferenz Punkte
1. Leipzig 17 +27 36
2. Leverkusen 17 +21 36
3. Dortmund 17 +18 35
4. Bayern 17 +20 34

Gerardo Seoane

Variabilität als Stärke

Seit letzter Saison ist Gerardo Seoane Cheftrainer von Bayer 04 Leverkusen. Zuvor trainierte der Schweizer in seinem Heimatland sehr erfolgreich und gewann mit den BSC Young Boys dreimal in Folge die Meisterschaft. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Peter Bosz steht der aktuelle Trainer von Bayer für Flexibilität – in jeglicher Hinsicht. Der Schweizer richtet seinen Matchplan stets nach den Stärken respektive Schwächen des Gegners aus. Das macht es auch für die anderen Teams schwer, sich auf Leverkusen einzustellen. In Bern agierte Seoane überwiegend mit einem 4-4-2 System. Beim Vorjahes-Dritten der Bundesliga war es in der Regel das 4-2-3-1. Im tiefen Verteidigen fühlt sich Bayer aber auch im 5-3-2 wohl.

Gerardo Seoane hat Bayer Leverkusen von der Ballbesitzmannschaft hin zur flexiblen Umschaltmannschaft enwickelt.
Hat Bayer Leverkusen von der Ballbesitzmannschaft zur Allzweckwaffe entwickelt: Trainer Gerardo Seoane.

Prinzipiell ist der Schweizer ein offensivdenkender Trainer, wie man sie in Leverkusen gerne hat. Seoane ist sich aber nicht zu schade, in manchen Spielen einen pragmatischen Ansatz zu wählen. Das zeigt sich gut an der Ballbesitz-Statistik. Mit durchschnittlich 53% Ballbesitz in der abgelaufenen Saison hatte man zwar in der Regel mehr vom Spiel, aber deutlich weniger als zuvor. Unter Peter Bosz war Bayer in dieser Hinsicht nahezu auf Bayern-Level mit mehr als 60% unterwegs. Leverkusen hat unter Seoane gelernt, dass man einen Gegner auch dominieren kann, indem man ihm mal den Ball in ungefährlichen Zonen überlässt. So konnte Bayer vermehrt eine ihrer Stärken in der Offensive – das Tempo – ausnutzen. Mit 80 Toren in 34 Ligaspielen zeigt sich, dass Seoanes Ansatz erfolgreich sein kann. Gegen tiefstehende Gegner ist man in der Lage sich Chancen zu kreieren. Neu dazu kommt wie bereits erwähnt der vermehrte Fokus auf das schnelle Vertikal- und Umschaltspiel.




Taktische Details

Offensive Außenverteidiger sind Standard im eigenen Ballbesitz bei Gerardo Seoanes Leverkusen
So sieht die Struktur im Ballbesitz bei Gerardo Seoane oft aus – auch bei Bayer Leverkusen.

Ganz klar erkennbares Schema unter Seoane sind die offensiven Außenverteidiger. Die beiden nominellen Flügelspieler rücken oft in die Mitte ein. Die Breite ist somit in der Regel nur vom Rechts- bzw. Linksverteidiger besetzt. Der Zehner darf seine Position sehr frei interpretieren. Ähnliches gilt für die beiden 6er. Eine klare Rollenverteilung mit einem defensiven und einem offensiven Part gibt es nicht. Der Blick beim Spielaufbau – der häufig durch die beiden Innenverteidiger angekurbelt wird – geht als erstes in die Tiefe. Gewünscht ist ein flacher vertikaler Pass nach vorne. Mit schnellen Steil-Klatsch-Kombinationen ist der Durchbruch auf Außen das Ziel. Um für dieses Muster gut vorbereitet zu sein, kann man fast immer Rautenbildungen auf dem Platz feststellen.

Gerardo Seoanes Mannschaft teilt sich in vielen Rautenanordnungen auf dem Spielfeld im Ballbesitz auf.
Rautenartige Anordnungen auf dem Spielfeld sind ein klares Muster unter Seoane. Der ballführende Innenverteidiger Kossounou hat somit 3 Anspielstationen, die Passwege bleiben kurz.

Kader

Das Transferfenster hat noch lange offen, doch schon jetzt kann man von einer erfolgreich anmutenden Transferphase sprechen. Nicht zuletzt die Vertragsverlängerungen von Wirtz und Schick waren Ausrufezeichen.

Wer geht noch?




Einige Baustellen gibt es aber nach wie vor. So zum Beispiel auch die Rückkehrer bestehend um Amiri, Weiser und Pohjanpalo. Für den zuletzt regelmäßig enttäuschenden Nadiem Amiri wird man hoffen, noch eine Millionenablöse im hohen einstelligen Bereich zu kassieren. Auch bei „Danger“ stehen die Zeichen klar auf Trennung. Paulinho, Aránguiz und Sinkgraven sind weitere Abwanderungskandidaten. Bei Paulinho geht es primär um die Ablösesumme. Der Transfer von Hlozek sowie weitere Gerüchte für die Position des Brasilianers deuten in jedem Fall auf einen Abschied hin. Ein Abgang von Aránguiz würde wohl am meisten schmerzen. Hier bleibt es abzuwarten, ob man den Chilenen abgibt. Falls ja, ist guter Ersatz gefragt. Dazu später mehr. Sinkgraven geht wohl nur als Linksverteidiger Nummer 3 in die Saison. Gut möglich, dass der Niederländer deshalb den Weg zurück in die Heimat antreten möchte.

Nahezu komplett

Wahrscheinlich passiert auf der Seite der Zugänge so schnell nichts. Verlassen Paulinho und Aránguiz die Werkself, wird man sicherlich noch aktiv. Mit dem Ukrainer Mychajlo Mudryk ist man sich angeblich schon länger einig, aber aktuell stocken die Verhandlungen. Zuletzt gab es aber auch vermehrt Gerüchte um Juventus Turin.  Als Aránguiz-Nachfolger könnte der derzeit vereinslose Florian Grillitsch eine Rolle spielen. Der Österreicher ist als Innenverteidiger und Defensiver Mittelfeldspieler einsetzbar. Seine Stärken liegen klar im Spiel mit dem Ball. Sucht eine Mannschaft spielerische Lösungen im Spielaufbau, ist sie bei Florian Grillitsch an der richtigen Adresse. Bayer Leverkusen muss man aber auch immer die besonders kreative Lösung zutrauen. Durch gutes Scouting verpflichtet man hierzulande eher unbekannte Spieler, die sich als Verstärkungen entpuppen. Auch dieses Jahr wieder vorstellbar.

Im Detail

TW: Hradecky, Lunev

IV: Tah, Tapsoba, Kossonou, Hincapie
RV: Frimpong, Fosu-Mensah
LV: Bakker, Hincapie, (Sinkgraven)




DM: Andrich, Demirbay, Palacios, Aránguiz / NEUZUGANG
OM: Wirtz, Azmoun, Hlozek, Adli, Demirbay
Flügel: Diaby, Adli, Hlozek, Bellarabi, NEUZUGANG

ST: Schick, Azmoun, Hlozek, (Bravo)

Florian Grillitsch könnte für Bayer Leverkusen interessant werden. Im Spielaufbau ist der Österreicher überragend gut.
Wirft man in Leverkusen ein Auge auf Florian Grillitsch, falls Aránguiz wechselt? Der Österreicher bringt herausragende Fähigkeiten im Spielaufbau mit. Silesia711FlorianGrillitschCC BY-SA 4.0

In der Innenverteidigung ist man top besetzt. Alle 4 Alternativen verfügen über Internationales Niveau. Mit Frimpong und Bakker hat man 2 Außenverteidiger, die perfekt in Seoanes System passen. Im Zentralen Mittelfeld erwartet man von Palacios den nächsten Schritt. Gelingt ihm das, kann er jederzeit den Unterschied ausmachen – dafür muss er konstanter werden. Aufgrund seiner Passqualität in die Tiefe war er bereits in der abgelaufenen Saison mitunter von elementarer Bedeutung. Spätestens sobald Wirtz wieder fit ist, ist auch die Zehnerposition wieder erstklassig besetzt. Durchaus vorstellbar, dass Seoane bis dahin auch vermehrt mit 2 Stürmern spielen lassen wird. Neben Azmoun ist auch Hlozek eine Alternative als spielstarker und schneller Stürmer leicht versetzt hinter dem besten Stürmer der Bundesliga. Nicht weniger als das dürfte Patrick Schick nächste Saison sein, sobald der Abgang von Robert Lewandowski offiziell wird. Der Tscheche bringt alles mit. Technisch stark und darüber hinaus der perfekte Zielspieler für hohe Bälle und dank seines Tempos auch für Steckpässe in die Tiefe. Über die Flügel wird allen voran wieder Diaby wirbeln. Vielleicht in seiner letzten Saison für Bayer.




Was ist drin für Bayer?

Während sich Fußballdeutschland nur auf Bayern und Dortmund konzentriert, hat ballorientiert Bayer Leverkusen auf der Rechnung, wenn es im Kampf um die ganz vorderen Plätze geht. Gleich am 1. Spieltag gegen den BVB kann man ein Zeichen setzen. Das letzte Mal gewann die Werkself mit 2:5. Gelingt es der Seoane-Elf gut in die Saison zu starten, ist vieles möglich. Der Kader ist top besetzt – in der Spitze und in der Breite. Bayer ist reif für die neue Saison. Wir freuen uns darauf!

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Beitragsbild: Arne Müseler / www.arne-mueseler.com, Bayarena Leverkusen 2020CC BY-SA 3.0 DE

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