Köllner scheitert trotz Wunschkader
“Ich will am Ende eine starke Mannschaft. Es geht nicht um irgendwelche Befindlichkeiten, sondern um ein starkes 1860 München.”
Es war eine der wichtigsten Bedingungen, die Michael Köllner am Ende der letzten Saison für einen weiteren Verbleib beim TSV 1860 München stellte. Er forderte sowohl in der Tiefe als auch in der Breite eine Mannschaft, mit der der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelingen sollte. Konsequenterweise rief er nach der Erfüllung seiner Wünsche den Aufstieg als großes Saisonziel bei den Löwen aus:
Wir werden nächstes Jahr im Mai wieder hier stehen und etwas ganz Großes feiern!
Über ein halbes Jahr später ist klar, dass Köllner dieses Versprechen nicht mehr einhalten können wird. Nicht etwa, weil die Aufstiegsränge bereits in uneinholbarer Ferne sind. Vielmehr weil die sportliche Entwicklung der letzten Wochen – sogar Monate – eine Weiterbeschäftigung Michael Köllners aus Sicht der Verantwortlichen der Löwen nicht mehr möglich machte. Magere vier Pünktchen sammelten die Sechz’ger aus den vergangenen sieben Drittligaspielen. Doch nicht nur die Punkteausbeute enttäuschte bei den Blauen. Ebenso war es die Art und Weise, wie man Fußball spielte, die Geschäftsführer Sport Günther Gorenzel den Glauben an eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft nahm.
Wie konnte es so weit kommen?
Nach der Entlassung Michael Köllners stellt sich nun die Frage, wie es so weit kommen konnte. Insbesondere wenn man sich den starken Saisonstart des TSVs in Erinnerung ruft. Nach neun Spieltagen punktete kein Team der 3. Liga häufiger und der Vorsprung auf Rang vier betrug schon sechs Punkte. Selbst eine deftige 4:1-Niederlage bei starken Elversbergern schien die Köllner-Elf in dieser Phase nicht zu beunruhigen. Denn das darauffolgende Heimspiel gegen Aue gewann man souverän und bewies Stabilität. Dass nach diesem Sieg der Auftakt einer sehr schwachen Phase folgen sollte, die in der Entlassung Michael Köllners mündete, hätte zu diesem Zeitpunkt wohl kaum jemand vorhersehen können.
Starker Leistungsabfall ab Spieltag 10
Interessanterweise lassen sich nicht nur bei der Tor- und Punkteausbeute, sondern auch bei diversen anderen Performance-Daten signifikante Unterschiede beim Spiel der Sechz’ger zwischen Phase 1 (Spieltag 1 bis 9) und Phase 2 (Spieltag 10 bis 20) feststellen.
Was besonders heraussticht, ist die dürftige Passquote der Löwen, die sicherlich auch Köllners schnellem Vertikalspielt geschuldet ist. Der ohnehin schon dürftige Wert von 76% sank in Phase 2 auf 74%. Zunächst mal keine derart große Verschlechterung, die einen solchen Leistungsabfall erklären lässt. Doch in Verbindung mit vielen anderen Parametern lässt sich ein klarer Trend abzeichnen: wollte Michael Köllner zu viel?
Kaum kontrollierter Spielaufbau
Vom guten Saisonstart mit vielen aussichtsreichen Torchancen und Toren getrieben, schien man noch schneller den Weg zum gegnerischen Sechzehner suchen zu wollen. Während sich der Anteil an Vertikalpässen und langen Bällen im Münchner Spiel erhöhte, schien der Fokus auf ein kontrolliertes Aufbauspiel komplett verloren gegangen zu sein. Während man in Phase 1 noch fast zehn Pässe im Aufbau spielte, ehe zu einer Defensivaktionen des Gegners kam, waren es seit Spieltag 7 nicht einmal mehr sieben. Es fehlte jegliche Pressingresistenz, weshalb sich die Ballverluste im eigenen Drittel im Vergleich zum Saisonstart zuletzt nochmal deutlich häuften.
Ungeduld im Angriff
Die Ungeduld im eigenen Spiel, die man daraus ableiten kann, lässt sich auch aufs Angriffsspiel der Löwen übertragen. Obwohl man sogar einen Schuss mehr pro 90 Minuten in Phase 2 abgab, halbierte sich die Torausbeute. Grund dafür ist die mangelnde Qualität der Chancen. Lag die Torwahrscheinlichkeit eines Schusses im Schnitt noch zu Saisonbeginn bei starken 15%, so waren es zuletzt nur noch schwache 10%. Dazu passt ins Bild, dass sich die durchschnittliche Schussentfernung um über einen Meter erhöhte. Statt geduldig auf die Lücken in der gegnerischen Abwehr zu warten wählte man stets das Risiko und entschied sich entweder für den schnellen Abschluss oder den riskanten Pass. In der Folge verzeichnet man trotz der geringen Ballbesitzanteile von 48% die meisten Ballverluste im Angriffsdrittel.
Konteranfälligkeit
Das überhastete Spiel und die damit einhergehenden Ballverluste bedeuteten nicht nur Probleme beim Kreieren von guten Torchancen, sondern ebenso viele Umschaltmöglichkeiten für den Gegner. Zum einen erhöhte sich in Phase 2 die Anzahl der gegnerischen Konter von 13 auf 18 pro Spiel. Zum anderen wurde diese von den Löwen auch schlechter verteidigt, weshalb der Gegner bei Kontern doppelt so oft zum Abschluss kam als noch in Phase 1.
Schwaches Spiel mit Ball als Hauptursache für Entlassung Köllners?
Wie die vielen Daten zeigen, scheitere Michael Köllner vor allem am Spiel mit Ball. Während die ersten Spieltage das schnelle Vertikalspiel noch gut funktionierte, schien es in Phase 2 zu überhastet. Den Löwen fehlten ruhige Ballbesitzphasen, in denen man den Gegner kontrollierte und dominierte. Die durchschnittliche Ballbesitzdauer liegt in der 3. Liga sogar unter dem Durchschnitt und ist somit eines Aufstiegskandidaten nicht würdig.
Dass nicht alles schlecht war, zeigt ein Blick auf die Defensiv-Daten. In Phase 2 konnte man sogar die Chancenfrequenz und Qualität des Gegners verringern. Ebenso präsentierte man sich stabil gegen das Ballbesitzspiel des Gegners. Trotzdem kam der Gegner zu mehr Toren, was einerseits an der Konteranfälligkeit und anderseits an der stark erhöhten Chancenverwertung des Gegners lag. Sicherlich haben auch die Spieler der Löwen einen gehörigen Anteil an der Misere. Denn trotz der Offensivprobleme waren durchaus Chancen für mehr Tore da. Und bekanntermaßen ist es nicht am Trainer, sondern an den Spielern, diese in Zählbares zu verwerten.
Keine Besserung in Sicht
Schlussendlich wird man dennoch positiv auf die Zeit von Michael Köllner zurückblicken können. Der sympathische Oberpfälzer übernahm den Verein in einer schwierigen Phase und führte ihn in den Aufstiegskampf der 3. Liga. Die stetige Weiterentwicklung nahm allerdings im Laufe dieser Saison ein Ende. Die Datenanalyse gibt zumindest einen Anhaltspunkt für die Ursachen. Von den eignen Aufstiegsversprechungen getrieben könnte man vermuten, Michael Köllner wollte insbesondere nach dem starken Start zu viel mit seiner Mannschaft. Es sollte der schnellstmögliche Weg zum Tor gesucht werden. Dadurch blieb offensichtlich das kontrollierte Aufbauspiel auf der Strecke. Statt mehr und längere Ballbesitzphasen einzubauen, hielt Köllner an seinem Plan fest, was letztendlich ideenlos wirkte. Da selbst die lange Winterpause und die Verpflichtung von Raphael Holzhauser noch keine Besserung erkennen lassen ließ, ist die Entlassung von Michael Köllner beim TSV 1860 München aus datentechnischer Sicht absolut nachzuvollziehen.
Dir hat unser Beitrag gefallen? Dann lass doch gerne eine Kleinigkeit für unsere Kaffeekasse da und unterstütze ein junges Fußball-Magazin via PayPal:
[paypal-donation]
Danke für deinen Support!
Schau auch gerne mal bei Social Media vorbei und begleite uns auf unserem Weg:
Facebook – Instagram – Twitter
Quellen:
wyscout.com
instat.com
transfermarkt.de
ObschtTea, Innenansicht des Grünwalder Stadion, CC BY-SA 4.0