Taktik & mehr: Sturm Graz und Christian Ilzer in der Analyse








Mit frischen Kräften in 2023

Unglückliches Aus in der Europa League, zwei Unentschieden gegen Linz und Altach sowie lediglich ein Sieg aus den vier Ligapartien vor der WM-Pause. Der straffe Terminplan der Grazer machte sich am Ende bemerkbar. Die lange Pause scheint Christian Ilzer und seinem Team gutgetan zu haben. Nicht zuletzt das Weiterkommen im ÖFB-Cup gegen RB Salzburg dürfte Auftrieb für den weiteren Saisonverlauf geben. Mit sechs Punkten Rückstand auf jene Salzburger scheint noch vieles möglich.

Architekt des Erfolgs: Sturm-Trainer Christian Ilzer

Die gute Performance des Teams aus der Steiermark ist eng verknüpft mit Trainer Ilzer. Der 45-Jährige gilt als harter Arbeiter mit Hang zur Perfektion. In seinen zweieinhalb Jahren in Graz konnte er die Lücke zum Ligaprimus aus Salzburg drastisch reduzieren. Auf seine Spielphilosophie wird im weiteren Verlauf noch detaillierter eingegangen. Prinzipiell fordert der begehrte Sturm-Coach einen wuchtigen, temporeichen und mutigen Fußball von seiner Mannschaft. Dabei hinterfragt er sich auch oft selbst. So gibt er an, dass seine Zeit bei Austria Wien, die nicht von Erfolg geprägt war, für ihn sehr lehrreich war und er diese nicht missen möchte.

Christian Ilzers Sturm Graz: die klare Nummer 2 in Österreich.
Christian Ilzers Sturm Graz: die klare Nummer 2 in Österreich.

Graz‘ Taktik unter Ilzer: ein grober Überblick

Das Team aus der zweitgrößten Stadt Österreichs sucht auf dem Weg nach vorne den direkten Weg. Zu Ilzers Spielphilosophie gehört auch der schnelle Abschluss – sogar öfter als RB schießt man auf das gegnerische Tor. Allerdings auch die meisten dieser aus der Distanz, weshalb die Chancenqualität zum Teil darunter leidet. Im letzten Drittel sucht man vor allem über die linke Seite – häufig über Schnegg – das Stilmittel der Flanke. Auch gerne genutzt wird das 1-gegen-1, um mit Tempo auf die Abwehr zuzulaufen, wie es beispielsweise Bøving und Kiteishvili überzeugend tun.

Im Aufbauspiel verzichtet Ilzers Graz auf Quer- und Rückpässe und sucht stattdessen die vertikale Spieleröffnung. Im Idealfall flach, aber 15% der Pässe werden lang gespielt. Durchaus sinnbildlich dafür steht der defensive Mittelfeldspieler Gorenc Stankovič, der extrem viele Pässe in Richtung letztes Drittel spielt – das Problem dabei: nur gut die Hälfte dieser kommt an. Um möglichst viele vertikale Anspielstationen zu schaffen, ist das Spiel ohne Ball ein wichtiger Faktor im Sturm-Spiel. Viele intensive Läufe und Sprints, um die gegnerischen Ketten auseinander zu ziehen sind unabdingbar für den diesjährigen Europa League Teilnehmer.

Wenn man die drei großen Trainer-Gurus nennt, Mourinho, Guardiola und Klopp, dann bin ich am ehesten bei der Philosophie von Klopp.
Christian Ilzer bei seinem Antritt via sturmnetz.at

Im Spiel gegen den Ball setzt man aus seiner 4-3-1-2 Grundordnung heraus auf hohes Pressing. Mit 13 hohen Balleroberungen pro Spiel verzeichnet die Ilzer-Mannschaft mehr als RB Salzburg. Im Anschluss soll es möglichst schnell nach vorne gehen. Mit zehn erzielten Treffern aus dem Umschaltspiel ist Sturm Graz die konterstärkste Mannschaft der Liga.




Kompaktheit: der Schlüsse für den Erfolg

Lediglich 11 Gegentreffer musste der SK in der Liga bislang hinnehmen. Auch weil die Defensivarbeit in der Herangehensweise von Christian Ilzer immer die Basis darstellt – trotz der häufigen Favoritenrolle führt sein Team die drittmeisten Defensivzweikämpfe. Das hohe Anlaufen der Grazer erfolgt oft im ähnlichen Schema. Dabei wird das Zentrum verdichtet und der gegnerische Spielaufbau in der Folge auf den Flügel gelockt. Im Anschluss schieben alle ballnahen Spieler in Richtung Ball. Weniger als acht Pässe lässt die Mannschaft dem Gegner im Durchschnitt zu, ehe es zur Balleroberung kommt.

Besonders intensiv und stark ist auch das Gegenpressing der Ilzer-Mannschaft. Möglichst eng und kompakt hält man das Spielfeld, indem die Abwehrkette sofort nachschiebt und Druck ausübt. Statistisch auffällig sind hierbei unter anderem Inennverteidiger Wüthrich und „6er“ Gorenc Stankovič. Beide fangen aufgrund ihres guten Stellungsspiels extrem viele gegnerische Pässe ab. Allgemein ist man qualitativ im defensiven Zentrum rund um Borkovic, der starke 77% seiner Zweikämpfe gewinnt und auch die meisten Pässe der Grazer spielt, Affengruber und Co. stark aufgestellt.

Anfällig zeigt man sich lediglich, wenn der Gegner den Raum vor der Abwehrkette überlädt – schließlich kassierte Sturm Graz bereits vier Treffer von außerhalb des Sechzehners aus zentraler Position. Umso stärker ist die Konterabsicherung aufgrund der guten Organisation im Gegenpressing. Lediglich einen Gegentreffer kassierte man nach gegnerischem Umschaltspiel – auch weil man die wenigsten Ballverluste in der eigenen Hälfte verzeichnet und dementsprechend die Kontersicherung immer im Blick behält.

Offensive: Luft nach oben

Mit vier Ligatreffern ist Emanuel Emegha der beste Torjäger von Sturm Graz. Dabei lief der Niederländer noch nicht einmal über die volle Distanz von 90 Minuten auf. Alleine diese beiden Sätze zeigen, wo der Schuh der Ilzer-Truppe drückt: in der Offensive. Den Abgang von Højlund konnte man bislang nicht auffangen. Auch wenn sich die Torausbeute auf unglaubliche 17 verschiedene Torschützen verteilt, fehlt eine klare Nummer 9. Der expected Goals-Wert liegt fünf Tore höher als die aktuell erzielten 26, auch die Chancenverwertung von 24% ist unter dem Ligaschnitt. Unter anderem deshalb führen die häufig geschlagenen Flanken nur selten zum Erfolg. Auch im Allgemeinen ist das Spiel mit Ball nicht die große Stärke der Grazer. Bietet der Gegner wenig Tiefe an, fehlt mitunter Plan B.

Der Sportklub legt nur wenig Wert auf Ballbesitz und verzeichnete lediglich in 5 von 16 Ligaspielen höhere Spielanteile als der Gegner. Lediglich die beiden Tabellenletzten aus Ried und Hartberg haben weniger Ballbesitz als die Mannen von Ilzer. In der Folge stehen lediglich 6 erzielte Treffer aus dem eigenen Positionsspiel zu Buche – ein Wert mit viel Luft nach oben. Die „Schwäche“ im eigenen Ballbesitz kompensiert man immer wieder durch einstudierte Standardsituationen. So schlug man bereits zehnmal nach ruhendem Ball zu und nutzt solche Situationen regelmäßig als wichtigen Dosenöffner.

1998, 1999, 2011… und?

Unser Ziel muss es sein, das Potenzial, das in uns steckt, bis zum Maximum auszuschöpfen.
Christian Ilzer nach dem Pokaltriumph über RB Salzburg.

Nachdem Sturm Graz in der abgelaufenen Saison am Ende Vizemeister wurde und durchaus noch in Schlagdistanz zu den Salzburgern, liegt die Hoffnung auf den ersten Ligaerfolg seit 2011 nahe. Der Weg bis dahin ist natürlich noch ein weiter. Wenn man ehrlich ist, kann sich auch in diesem Jahr RB nur selbst schlagen. Schließlich ist der Marktwert des Kaders mit 220 Millionen mehr als fünfmal so hoch wie der des Sportklubs.

Der Trainer wird auch in der Restsaison versuchen, sein Team bestmöglich auf die Gegner einzustellen. Taktisch überzeugt Ilzer vor allem im In-Game-Coaching und wechselte bereits neun Jokertore ein. Der Weg in Graz stimmt auf jeden Fall. Mit einem Altersschnitt von lediglich 24,4 Jahren gehört dem Team von Christian Ilzer die Zukunft. Und wer weiß – vielleicht kann man am Ende der Saison ja eine Trophäe in die Höhe stemmen.

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Quellen:
wyscout.com
instat.com
transfermarkt.de
XaviYuahandaSC Wiener Neustadt vs Wolfsberger AC (49)CC BY-SA 4.0
Werner100359FC Red Bull Salzburg gegen SK Sturm Graz (19. November 2017) 06CC BY-SA 4.0

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