Nach dem Spiel sagte er [Pep Guardiola] mir, dass wir mit diesem Stil und mit dieser jungen Mannschaft in Zukunft viel Erfolg haben werden.
– Daniel Stendel erinnert an die 1:3-Niederlage mit Hannover 96 am letzten Spieltag der Saison 2015/2016
Schon Pep Guardiola attestierte im Jahr 2016 dem damaligen Trainer von Hannover 96 Daniel Stendel einen erfolgsversprechenden Spielstil. Trotz einer unglücklichen 1:3-Niederlage hinterließ man mit aggressivem Spiel gegen den Ball eine Duftmarke in der Allianz Arena. Sechs Jahre später ist Daniel Stendel mit seinem markanten Spielstil wieder in Hannover erfolgreich. Allerdings nicht mehr mit der Profi-Mannschaft und auch nicht ohne Unterbrechung.
Unglückliche Stationen zuletzt
Denn seit seiner Freistellung bei den Niedersachsen im Jahr 2017 ist der ehemalige Flügelspieler der 96er gut herumgekommen im europäischen Fußball. Weniger erfolgreich endete 2021 seine Station beim französischen Zweitligisten AS Nancy, als die Verantwortlichen nach 10 Spielen ohne einen Sieg bereits die Reißlinie zogen. Nicht viel länger wehrte Stendels Amtszeit beim schottischen Erstligisten Heart of Midlothian 2020. Auch beim abstiegsgefährdeten Traditionsklub aus Edinburgh versuchte Stendel seinen dominante Spielidee zu implementieren. Trotz viel Ballbesitz und aggressivem Pressing stieg der Verein zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte aus der Premiership ab. Nach 17 Spielen im Amt war damit mit Saisonende Schluss für Daniel Stendel.
Innerhalb weniger Monate zur Barnsley-Legende?
Umso erfolgreicher verlief sein erster Job nach Hannover 96. Als Stendel zu Saisonbeginn 2018/2019 beim damaligen englischen Drittligisten FC Barnsley anheuerte, konnte man wohl kaum erahnen, dass der inzwischen 48-Jährige den Engländern bis heute als eine Art Legende in Erinnerung blieb. Nicht nur weil er damals den direkten Wiederaufstieg in die Championship schaffte. Auch aufgrund seiner Fannähe erfreute sich der Deutsche großer Beliebtheit.
Der Verein hatte eine längere Liste mit den besten Pressing-Trainern erstellt. Auf dieser Liste stand ich sehr weit oben.
Dementsprechend enttäuscht waren die Anhänger, als nach schlechtem Saisonstart die Entlassung Stendels folgte. Standesgemäß verabschiedete sich der Sympathieträger in einem Pub mit Bier und Tequila bei den Fans und verließ mit „There’s only one Daniel Stendel“-Sprechchören im Ohr die Insel.
Barnsley sacked manager Daniel Stendel this week. So before heading back to Germany, he had a farewell drink with the fans. 🥃 pic.twitter.com/c65fXRwjYF
— Football Tweet ⚽ (@Football__Tweet) October 11, 2019
Stendels markante Spielphilosophie
Doch die Trainerarbeit von Stendel definiert sich bei Weitem nicht nur über Fannähe und Tequila-Trinken. Stattdessen steht er für ein sehr aggressives Spiel gegen den Ball, das in Deutschland seines Gleichens sucht. Denn von Bundesliga bis Regionalliga gibt es keine Mannschaft, die den Gegner intensiver presst als Stendels Hannover 96 II, wo er seit Saisonbeginn an der Seitenlinie steht.
Durchschnittlich lässt die Stendel-Elf dem Gegner nur gut sechs Pässe im Spielaufbau spielen, ehe man diesen durch eine Defensivaktionen unterbindet. Ebenso legt man mit dem SC Verl die höchste Intensität gegen den Ball an den Tag. Rund acht Defensivaktionen verzeichnet die U23 der Hannoveraner pro Minute gegnerischem Ballbesitz. Die Folge sind viele hohe Balleroberungen im Angriffsdrittel und somit kurze Weg zum Tor.
Hohe Effizienz in der Offensive
Apropos Tor. Dort präsentieren sich die Hannoveraner sehr effizient in dieser Saison. Statt laut Expected Goals erwarteten 41 Toren, traf man bereits 54-mal. Dementsprechend stellt der Drittplatzierte hinter Lübeck und HSV II auch die drittbeste Offensive der RL Nord. Besonders hervorzuheben ist das Duo Gindorf & Friedrich, das jüngst beim 6:1-Kantersieg über Jeddeloh mit je zwei Treffern seine Treffsicherheit unter Beweis stellte. Aufgrund der Abgänge der Topscorer der Mannschaft um Evina (Sandhausen) und Momuluh (erste Mannschaft) wird man auch in der restlichen Saison große Hoffnungen auf eine starke Chancenverwertung legen.
Mit Dominanz und Risiko zum Torerfolg
Nichtsdestotrotz ist Hannover 96 keine Mannschaft, die auf ihre wenigen Momente im Spiel wartet, sondern dominant auftritt. Mit rund 57% Ballbesitz übernimmt man in der Regel das Kommando und versucht den Gegner mit mutigem Fußball zu knacken. Die mutige Spielweise lässt sich auch an der relativ geringen Passquote und der großen Anzahl an Ballverlusten ablesen. Doch aufgrund des starken Gegenpressings währen die Ballbesitzzeiten des Gegners nicht lange.
Meist in einer 4-2-3-1-Grundordnung agierend schickt man mit vielen Pässen ins letzte Drittel die dribbelstarken Außenstürmer in 1-gegen-1-Situationen auf dem Flügel. Statt den Ball in den Sechzehner zu flanken sucht man stets den Weg ins Zentrum und sucht den Abschluss. Mit fast 15 Schüssen pro 90 Minuten versucht es nur Tabellenführer Lübeck häufiger. Auch hier will Stendel von seinen Spielern Mut zum Risiko sehen. Denn statt lange eine Lücke im Sechzehner zu suchen, scheut man sich nicht aus der Entfernung abzuziehen. Fast die Hälfte aller Abschlüsse und damit 7 pro 90 Minuten erfolgen von außerhalb des Strafraums – Topwert in Deutschlands Regionalligen. Zwar leidet dadurch die Chancenqualität der 96er, die im Regionalliga-Vergleich unterdurchschnittlich ist. Doch die bereits erwähnte starke Torausbeute gibt Daniel Stendel und seiner Mannschaft vollkommen recht.
Zu viele Gegentore durch tiefe Ballverluste
Dass eine solch riskante und aggressive Spielweise seine Risiken birgt, zeigt der Blick auf die kassierten Tore. Mit 35 Gegentoren in 21 Spielen findet man sich diesbezüglich nur im Mittelmaß wieder. Zwar sind Zweikampfpräsenz sowie -härte und die Anzahl der abgefangenen Bälle völlig im Soll. Jedoch bringt man sich durch tiefe Ballverluste immer wieder selbst in die Bredouille. Als bestes Beispiel dient die 3:0-Niederlage vor kurzer Zeit beim TSV Havelse. Zum einen verzeichnete man ganze 41 Ballverluste im eignen Drittel. Zum anderen führten sieben dieser Ballverluste zu einem Abschluss des TSV Havelse. Somit hatte man 40% der gegnerischen Abschlüsse selbst eingeleitet.
Attraktiver Fußball alla Stendel: Seltenheit in der Bundesliga
Man kann sicherlich das Haar in der Suppe suchen und auf defensive Schwächen hinweisen. Doch gerade in der Bundesliga würde man sich doch mehr Mannschaften wünschen, die mit der Risikobereitschaft und Eigeninitiative von Stendel-Mannschaften auftreten. Statt die Fehlervermeidung in den Fokus zu stellen, will Stendel von seiner Mannschaft Offensiv-Courage sehen.
Ich gewinne auch lieber 4:3 als 1:0.
– Daniel Stendel zu seiner Herangehensweise bei den Profis im Jahr 2016
Starker Unterbau für Hannover 96
Davon profitieren dürfte in Zukunft auch die Profi-Mannschaft der 96er. Denn offensichtlich reifen in der U23 Spieler heran, denen die Angst vor Fehlern genommen wird. So zum Beispiel Flügelflitzer Taddel Momuluh, der sich mit starken Leistungen in der Regionalliga nun für den 2. Liga-Kader empfahl und erste Einsatzminuten sammeln durfte.
Das ist extrem motivierend für uns alle. Es ist eine attraktive Perspektive für diejenigen, die diesen Schritt noch vor sich haben. Das ist der 96-Weg – und den gehen wir alle gemeinsam.
Auch wenn es für die Profis aktuell nicht nach den eignen Vorstellungen läuft, scheint das Gesamtkonstrukt Hannover 96 mit all seinen handelnden Personen aus sportlicher Sicht auf gesunden Beinen aufgestellt zu sein.
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Quellen:
wyscout.com
instat.com
transfermarkt.de
bundesliga.de
Thomas Rodenbücher, Josep Guardiola 0525, CC BY 2.0
Bessawissa94, Eilenriedestadion, CC BY-SA 3.0 DE