Maurizio Jacobacci: der neue Löwen-Coach in der Analyse




Jacobaccis Vita

Nach seiner Spielerkarriere – unter anderem 80 Tore und ein Meistertitel in der höchsten Schweizer Spielklasse – begann Jacobacci seine Trainerlaufbahn in unterklassigen Schweizer Ligen. Darüber konnte er sich für eine Stelle als Assistenztrainer bei den Grasshoppers Zürich beweisen. Als Co-Trainer gewann Jacobacci erneut den Titel in der Super League. In der Folge erwarb der Italiener die höchste Trainer-Lizenz und übernahm zunächst verschiedene Clubs in der zweitklassigen Challenge League in der Schweiz.

Die Löwen sind die 9. Station in den letzten 7 Jahren für den 60-Jährigen. Vor allem seine Auslandserfahrungen lassen zumindest gewisse Zweifel für die Anstellung in München zu. Frühe Entlassungen in Österreich, Frankreich und zuletzt Tunesien stehen zu Buche. Um einen genaueren Überblick bezüglich Taktik und Spielstil Jacobaccis zu erhalten, werfen wir einen ausführlichen Blick auf seine Station beim FC Lugano, die vermutlich die erfolgreichste seiner Stationen war. In der höchsten Schweizer Spielklasse führte Jacobacci das Team einmal auf Platz 4 und einmal auf Platz 5, ehe sein Vertrag nicht verlängert wurde.

Wir zeigen zielstrebigen, vertikalen Fußball. Wir setzen nicht auf Ballbesitz, weil Ballbesitz allein nicht viel bringt. Meine Maxime lautet: Der kürzeste Weg zum Tor ist der beste Weg. Ich habe mich mit den Spielern zu Beginn meiner Arbeit auf drei wesentliche Punkte geeinigt: Wir wollen heimstark sein, wir wollen eine der besten Verteidigungen im Land stellen und wir wollen effizienter sein im Abschluss.
Maurizio Jacobacci über seine Spielphilosophie in Lugano. (via Aargauer Zeitung)

Solide mit guter Chancenverwertung

Wir werfen einen Blick auf die Saison 2020/21. Der FC Lugano läuft unter der Regie von Jacobacci am Ende auf Platz 4 über die Ziellinie. Ein Platz, den man auch vor und nach der Amtszeit des Italieners in etwa belegt, was die solide Arbeit des neuen 1860-Trainers bestätigt. Mit 40 erzielten Toren stellte sein Team allerdings die zweitschwächste Offensive der Liga – betrachtet man die Chancenqualität anhand der Expected Goals-Werte, stellte Lugano sogar das Schlusslicht dar. Eng damit verknüpft ist aber die starke Chancenverwertung, die mit 29% ihresgleichen suchte. Eine Statistik, die der zuletzt glücklosen Münchner Offensive durchaus Mut machen könnte. Auffällig ist zudem die ausgeglichene Torverteilung. Am Ende war Bottani mit 6 Treffern der erfolgreichste Spieler – kein Stoßstürmer, sondern ein kleiner quirliger Spieler, der gerne auf die Flügel ausweicht.

Defensiv stark?

Das große Faustpfand der Schweizer war die starke Defensive. Obwohl man 10 Treffer per Elfmeter kassierte (Ligaschnitt unter 6), stellte man am Ende die zweitbeste Abwehr der Liga. Ein wesentlicher Faktor war sicherlich die starke Leistung des damaligen Torhüters. Denn schließlich lag der Expected Goals Wert der Gegner bei 60 Treffern und damit 20 Tore über den tatsächlich kassierten, weshalb sich der Faktor Glück nicht wegdiskutieren lässt. Vor allem, da man nach Expected Points in der Folge sogar den 9. und somit vorletzten Platz der Super League belegte. Dennoch erreichte Jacobaccis Team wie bereits erwähnt am Ende einen guten 4. Platz.




Spielerisch Mangelware?

In Sachen Offensive legt Jacobacci aus taktischer Sicht nicht viel Wert auf ein gepflegtes Ballbesitzspiel. Mit im Schnitt 46% Spielanteilen liegt diese Vermutung nahe. Tatsächlich lag die Passquote aber mit 82% über dem Ligaschnitt, was ein solides Spiel mit dem Ball zeigt – auch lange Bälle streute man immer wieder ein, die aber nicht blind, sondern gut vorbereitet gespielt wurden. In der Offensive vermied Lugano unter Jacobaccis Zeit das Stilmittel der Flanke und versuchte es mehr durch die Spielfeldmitte. Dennoch gelang der Durchbruch in den Strafraum zu selten (zweitwenigsten Ballkontakte im 16er der Liga) – diese Schwäche glich man unter anderem durch gute Standardsituationen aus. 7 Tore erzielte man nach Eckball und insgesamt starke 13 Treffer und somit fast ein Drittel seiner Tore nach ruhendem Ball.

Taktik und Co von 1860 Trainer Jacobacci
Überblick: Maurizio Jacobaccis Lugano im Ligaranking

Wenig Pressing, mehr im Block

Jacobacci steht nicht für ein sonderlich intensives Spiel gegen den Ball. Obwohl seine Teams relativ wenig Ballbesitz haben, führen sie kaum direkte Defensivzweikämpfe. Stattdessen verteidigen die Mannschaften des Italieners viel im Raum und fühlen sich im relativ tiefen Block wohl, in welchem man das Spielfeld eng gestaltet und dank guter Staffelung viele Bälle im eigenen Drittel abfängt. Frühes Pressing ist allerdings bei den Löwen in Zukunft nur selten zu erwarten – schließlich war Jacobaccis Lugano das Team mit den mit Abstand wenigsten hohen Balleroberungen der Super League Saison 2020/21. Auch der Pressingparameter „PPDA“ von 15 zugelassenen Pässen bis zur eigenen Defensivaktion sah Lugano auf dem letzten Platz wieder.

Jacobaccis Taktik bei 1860

Es ist davon auszugehen, dass Maurizio Jacobacci seine Spielweise auch bei den Münchner Löwen versuchen wird, auf den Rasen zu bringen. Als bevorzugtes System gilt die Dreierkette, am liebsten im 3-1-4-2. Durchaus eine spannende Alternative, zu der der TSV in dieser Saison noch gar nicht griff. Jacobacci steht allerdings nicht für viele spielerische Lösungen – hier wäre definitiv mehr möglich, da der Kader einige talentierte Kicker beinhaltet. Als Talententwickler gilt Jacobacci nur bedingt – schließlich war beispielsweise sein Lugano das klar älteste Team der Liga. Aus mancher Sicht ist die Wahl auf den Italiener aber durchaus verständlich. Er gilt als Motivator, der schnell Zugriff auf ein Team bekommt. Mit seinem pragmatischen Ansatz könnte er dem Team wieder Stabilität einhauchen – eine extreme dauerhafte Weiterentwicklung erscheint ob seiner Vita zumindest fragwürdig. In der aktuellen Lage einen absoluten Neuling im Deutschen Fußball ohne Zeit zum Kennenlernen der Liga einzustellen, stößt zudem nicht überall auf Verständnis.

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Quellen:
wyscout.com
instat.com
transfermarkt.de
ObschtTea, Innenansicht des Grünwalder Stadion, CC BY-SA 4.0



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