Es ist so weit: die WM 2022 in Katar geht an den Start. Standesgemäß eröffnet der Gastgeber das Turnier. Für die Kataris ist dies die allererste Teilnahme an einer Fußball-Weltmeisterschaft. Dementsprechend unbekannt dürfte die Mannschaft der Araber hierzulande sein. Ähnliches gilt für Ecuador. Zwar ist es für die Südamerikaner immerhin schon die vierte Teilnahme an einer WM-Endrunde, jedoch sind viele Nationalspieler außerhalb von Europas Topligen aktiv. Nichtsdestotrotz sind zwei Namen der Ecuadorianer zumindest aus der Bundesliga bekannt. Sowohl Piero Hincapie von Bayer Leverkusen als auch Carlos Gruezo vom FC Augsburg spielen keine unwichtige Rolle in den Planungen von Trainer Gustavo Alfaro. Ballorientiert gibt im Folgenenden einen Einblick in die Spielweisen und Taktiken der beiden Nationen, von denen eine schon seit über 16-Jahren von der Expertise eines Ex-Trainers des FC Barcelonas profitieren kann.
Inhalt
- Defensive Spielweise unter Gustavo Alfaro?
- Schwache Chancenverwertung!
- Flügelspiel mit offensiven Außenverteidigern
- Aggressives Pressing
- Gruezo als wichtiger Faktor im Umschaltspiel
- Dank Ex-Barca-Coach: Asienmeister und Top-50 der Welt
- Kontinuität bei Formation
- Afif und Ali – das offensive Prunkstück
- Kompaktes Zentrum
- Effizientes Konterspiel
3. Katar gegen Ecuador: was kann man erwarten?
Ecuador
Defensive Spielweise unter Gustavo Alfaro?
Seit August 2020 ist der 60-jährige Argentinier Gustavo Alfaro Cheftrainer von „La Tricolor“. Seine bisherige Bilanz kann sich dabei durchaus sehen lassen. Bei der Copa America im vergangenen Jahr drang man immerhin bis ins Viertelfinale vor. Als problemlos gestaltete sich die Qualifikation zur WM, als man hinter Brasilien, Argentinien und Uruguay souverän den vierten Platz belegte. Blickt man auf die Ergebnisse der letzten sechs Partien Ecuadors, so könnte man einen äußerst defensiven Spielstil vermuten. Neben zwei 1:0-Erfolgen trennte man sich viermal 0:0-Unentschieden. Doch definiert sich die ecuadorianische Spielweise tatsächlich über das Spiel gegen den Ball?
Schwache Chancenverwertung!
Schon ein kurzer Blick auf die expected goals in diesen Spielen widerlegt diese Vermutung. „Man hatte Chancen für 10 Tore“ – was oftmals als Floskel herhalten muss, ist in diesem Fall Fakt. Während man nur zwei Tore erzielte, gab der xG-Wert mit 9,58 deutlich mehr Tore her. Ebenso hätte es mit einer konsequenteren Chancenverwertung des Gegners im eigenen Gehäuse klingeln können – über viermal laut xG. Somit sorgte vielmehr eine Underperformance der Sturmreihen und weniger eine defensive Spielweise für die geringe Torquote bei den Spielen mit ecuadorianischer Beteiligung.
Flügelspiel mit offensiven Außenverteidigern
Deutlich besser funktionierte die Chancenverwertung bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Hinter Brasilien erzielte man gleichauf mit Argentinien mit 27 Toren in 18 Spielen die zweitmeisten Tore Südamerikas. Charakteristisch für die Spielweise der Mannschaft von Alfaro sind dabei die beiden offensivausgerichteten Außenverteidiger in einer 4-3-3 Formation. Durch eine Überladung des Zentrums im Spielaufbau schafft man Platz auf den Flügeln. Besonders hervorzuheben ist der 24-jährige Linksverteidiger Pervis Estupinan. In nahezu allen relevanten Performance-Daten steht sein Name weit vorne. Einerseits schlug der Neuzugang von Brighton die mit Abstand meisten Flanken der Südamerika Quali. Auf der anderen Seite führte nur ein Spieler mehr Defensivzweikämpfe als der schnelle Linksfuß, was seine Omnipräsenz und Unermüdlichkeit im Spiel der Ecuadorianer unterstreicht. Unterstützt wird Estupinan auf der halblinken Seite von seinem Vereinskollegen Moises Caicedo. Trotz seines jungen Alters spielt der 20-jährige zentrale Mittelfeldspieler bereits eine Schlüsselrolle im Spiel der Südamerikaner. Seine Qualitäten im Dribbling, Passspiel und Abschluss sind ein wichtiger Faktor im Angriffsspiel. Im letzten Drittel, das man dank einer guten Passquote von 85% regelmäßig spielend erreicht, setzt man auf die starken 1-gegen-1-Qualitäten. Dank der hinterlaufenden Außenverteidiger können die Außenstürmer die Halbräume bedienen und Zielspieler Michael Estradas im Zentrum unterstützen.
Aggressives Pressing
Im Spiel gegen den Ball ist die Nationalmannschaft Ecuadors grundsätzlich sehr aggressiv. Keine Mannschaft ließ in der Qualifikation den Gegner weniger Pässe spielen, ehe zu einer Defensivaktion kam. Dabei zeigt man sich im Pressing sehr variabel. Je nach Situation setzt man auf Mittelfeld- oder Angriffspressing und versucht den Gegner durch clever getimte Läufe ins Pressingfallen zu locken. Sollte die erste Druckwelle überspielt werden, so zieht man sich in ein kompaktes 4-4-2 zurück und schließt das Mittelfeldzentrum. Auch dank einer starken Zweikampfquote von 65% ließen nur die beiden großen Südamerikas weniger Gegentore als Ecuador zu.
Gruezo als wichtiger Faktor im Umschaltspiel
Im Umschaltspiel spielt der Augsburger Carlos Gruezo sowohl offensiv als auch defensiv eine zentrale Rolle. Zum einen sind seine präzisen, langen Bälle in die Spitze ein wichtiges Werkzeug in Ecuadors pragmatischen Konterspiel. Zum anderen deckt Gruezo bei Ballverlust den Rückraum ab und verzeichnet die meisten Interceptions im ecuadorianischen Mittelfeld.
Katar
Dank Ex-Barca-Coach: Asienmeister und Top-50 der Welt
Während bei Ecuador noch der ein oder andere Namen geläufig ist, wird es bei Katar schon deutlich schwerer. Der klangvollste Name dürfte wohl der des Trainers sein. Seit 2017 ist Felix Sanchez Bas der Chef an die Seitenlinie beim WM-Gastgeber. Der gebürtige Barceloner war von 1996-2006 als Jugendtrainer in La Masia aktiv, ehe der Wechsel in die Talentakademie der Kataris folgte. In seiner nun fünfjährigen Amtszeit als Chefcoach konnte der 46-jährige Spanier Katar von FIFA-Weltranglisten-Platz 79 auf 50 führen. Der bisher größte Erfolg war die Asienmeisterschaft 2019, in der man sich im Finale gegen Japan durchsetzen konnte. Die Testspiele dieses Jahres, in denen man gegen namhafte Gegner wie u.a. Chile, Marokko und Ghana ungeschlagen blieben, unterstreichen die Ambitionen der Kataris, zumindest die Gruppenphase überstehen zu können.
[pum_sub_form name_field_type=“disabled“ label_email=“Alles aus der Fußballwelt! Aktuelles, Taktik, Historisches – für jeden Fußballfan was dabei. Keine Werbung, kein Spam – nur Fußball!“ label_submit=“Newsletter abonnieren!“ placeholder_email=“E-Mail“ form_layout=“block“ form_alignment=“center“ form_style=“default“ privacy_consent_enabled=“no“]
Kontinuität bei Formation
Ebenso wie die Verantwortlichen Katars auf der Trainerposition setzt auch der Trainer selbst bei der Formation seiner Mannschaft auf Kontinuität. Seit nunmehr über zwei Jahren lässt Sanchez Bas seine Spieler fast ausnahmslos in einer 5-3-2-Grundordnung auflaufen.
Afif und Ali – das offensive Prunkstück
Auch aufgrund individueller Unterlegenheit spielt Ballbesitz dabei nur eine untergeordnete Rolle. So auch beispielsweise beim Arabic Cup 2021, als man mit einem durchschnittlichen Ballbesitz von 49% am Ende den dritten Platz belegte. Eines spanischen Übungsleiter würdig verzeichnete man dennoch mit 85% eine gute Passquote und dadurch relativ lange Ballbesitzphasen. Zwar forciert man über die Dreier-Innenverteidigung ein kurzes Aufbauspiel, jedoch spielt der zentrale Mann Boualem Khoukhi im Übergang gerne präzise, lange Bälle Richtung Akram Afif auf die linke Angriffsseite der Kataris. Ein durchaus probates Mittel. Denn der der 26-jährige Afif ist mit seinem Tempo womöglich der talentierteste Offensivmann Katars. Gerne lässt er sich von seiner Stürmerposition heraus auf den linken Flügel fallen und setzt seine Stärken im offensiven 1-gegen-1 ein. Zusammen mit Sturmpartner und Zielspieler Almoez Ali waren die beiden an 10 der 12 erzielten Tore beim Arabic Cup direkt beteiligt. Unterstützt wird der Doppelsturm in der Regel von den beiden Außenverteidigern, die im eigenen Angriff die volle Horizontale und Vertikale des Spielfeldes ausnutzen. Ähnlich wie beim Arabic Cup wird auch bei der Weltmeisterschaft eine hohe Effizienz (12 Tore aus 8,5 xG) vor dem Tor sehr wichtig für die Kataris sein.
Kompaktes Zentrum
Als sehr stabil stellte sich die Defensive beim Arabic Cup dar. In drei von sechs Spielen konnte man die Null halten und kassierte insgesamt nur drei Gegentore. Diesen Eindruck bestätigten auch die Testspiele in 2022, in den man immerhin in 8 von 18 Partien gegentorlos blieb.
Auch wenn man situativ mit gut getimtem Pressing den Gegner hoch unter Druck setzt, zeigt man sich im Spiel gegen den Ball grundsätzlich eher zurückhaltend. Durch das kompakte 5-3-2 hält man das Zentrum dicht und nimmt die Angreifer der Gegner sogar teilweise in Manndeckung. Aufgrund der hohen Personaldichte im Zentrum führen die Angriffe den Gegner meist über den Flügel. In der Folge sind es die beiden Außenverteidiger der Kataris, die viele defensive 1-gegen-1-Duelle gegen die meist dribbelstarken Flügelspieler der Gegner bestreiten müssen und somit ein wichtiger Faktor für defensive Stabilität sind.
Effizientes Konterspiel
Wie die Zurückhaltung beim Pressing vermuten lässt, liegt auch das Verhalten nach Ballverlust im Schwerpunkt auf Kompaktheit, weshalb man möglichst schnell versucht, in die Grundordnung zurückzukehren. Deutlich ansehnlicher präsentierte sich das Umschaltspiel der Kataris bei Ballgewinn. Oftmals über Afif und die beiden Außenverteidiger initiiert, mündete mehr als jeder dritter Konter der Kataris in einem Torabschluss – ein starker Wert!
Katar gegen Ecuador: was kann man erwarten?
Während die Kataris ihren Fokus auf ein kompaktes Zentrum und schnelle Angriffe über Afif legen, favorisiert Ecuador ein eher ballbesitzorientierteres und offensives Spiel über den Flügel. Zumal sich das mannorientiere 5-3-2 der Kataris perfekt zum Spiegeln von Ecuadors 4-3-3 anbietet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die entscheidenden Zweikämpfe auf der Außenbahn stattfinden. Die hochaufgerückten und offensivstarken Außenverteidiger Ecuadors dürften die Schienenspieler der Kataris vor viele und intensive Aufgaben stellen. Auf der Gegenseite birgt das Offensivspiel der ecuadorianischer Außenverteidiger Risiken bei Ballverlust. Insbesondere Akrim Afif ist prädestiniert dafür, diese Räume auf den Außenbahnen zu nutzen, um selbst zum Abschluss zu kommen oder Mannschaftskapitän Ali in Szene zu setzen.
Betrachtet man rein die sportliche Qualität der beiden Mannschaften, so dürfte die Mannschaft Ecuadors als Favorit ins Spiel gehen. Allerdings lassen die guten Ergebnisse der Kataris aufhorchen und beweisen gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit gegen namhafte Gegner. Mit den heimischen Fans im Rücken ist man durchaus in der Lage, für eine Überraschung zu sorgen und eine Euphorie bei den einheimischen Fußballfans zu entfachen. Insofern kann man sich zum Auftakt der Weltmeisterschaft 2022 sicherlich auf ein enges und spannendes Eröffnungsspiel freuen!
Dir hat unser Beitrag gefallen? Dann lass doch gerne eine Kleinigkeit für unsere Kaffeekasse da und unterstütze ein junges Fußball-Magazin via PayPal:
[paypal-donation]
Danke für deinen Support!
Schau auch gerne mal bei Social Media vorbei und begleite uns auf unserem Weg:
Facebook – Instagram – Twitter
Quellen:
wyscout.com
instat.com
transfermarkt.de
Mehr News Agency, QAT-JPN 2019 AFC Asian Cup Final, CC BY 4.0