Ein sehr wellenförmiger Saisonverlauf prägt die noch junge Saison der Eintracht. Innerhalb einer Woche änderte sich die Stimmungslage von Euphorie zu Frust. War die Niederlage in der Champions League gegen Sporting noch der Kategorie „unglücklich“ und „Lehrgeld“ zuzuordnen, deckte die Niederlage gegen Ex-Eintracht Coach Niko Kovač und dessen Wölfe alte und neue Probleme auf.
Erkennbare Muster
Magdeburg, Bremen und Leipzig – gegen diese 3 Teams konnte die Eintracht in der laufenden Spielzeit Siege einfahren. Alle Partien eint eins: die Eintracht war weniger am Ball als der Gegner – sicherlich kein Zufall. Bereits in der vergangenen Saison tat man sich schwer, gegen kompakt und tief verteidigende Gegner Lösungen zu finden. Mitunter auch, da die entsprechenden Spielertypen im Kader dafür fehlten. So ließ man in der Liga wichtige Punkte gegen die vermeintlich Kleinen liegen – beispielsweise gelang nur 1 Sieg in 4 Partien gegen die Absteiger aus Fürth und Bielefeld, der sogar schmeichelhaft war.
Wir waren langsam im Spielaufbau, hatten ganz ganz selten Tiefe im Spiel. Wir waren über außen tot. Wir waren bei Standards eine Katastrophe.
SGE-Trainer Glasner nach der enttäuschenden Niederlage gegen den VfL Wolfsburg.
Allerdings zeigen auch die bisherigen Partien nur bedingt Besserung. Aktuell steht die Eintracht bei gut 7 expected Goals, wenn man die Qualität der Torchancen heranzieht – darunter aber über 5 von den beiden Siegen gegen Bremen und Leipzig. Auch das zeigt klar: gegen Teams, die der SGE den Ball überlassen, fehlt es an Durchschlagskraft. So auch zuletzt im Spiel gegen Wolfsburg. 63% Ballbesitz, ca. 40% des Spiels fand in Wolfsburgs Drittel statt. Aber: kein Schuss aufs Tor, keine wirkliche Großchance und somit eine am Ende verdiente Niederlage gegen mäßige Gäste. Oliver Glasners Interviews und Pressekonferenz nach dem Spiel sprachen Bände. Selten erlebte man den Österreicher so hart und kritisch im Umgang mit der eigenen Mannschaft.
Dreierkette oder Viererkette?
Frankfurts Trainer Oliver Glasner ist kein Trainer, der häufig sein System wechselt. Einmal auf eine Formation festgelegt, wird nur selten getauscht – vor allem wenn es läuft. Dass mit Filip Kostić der Paradespieler für die linke Schiene im 3-4-2-1 der Vorsaison fehlt, ist jedem Eintracht Fan klar. Auch deshalb erfolgte nach dessen Abgang die Umstellung auf das 4-2-3-1. Mit dem selbem System war Glasner bereits in Wolfsburg sehr erfolgreich und führte die Niedersachsen so in die Champions League.
Der Frankfurter Kader ist gut, auf vielen Positionen sogar sehr gut besetzt. Allerdings offenbaren sich sowohl bei der klassischen Dreierkette als auch Viererkette Schwächen. Agiert man mit 3 Innenverteidigern, ist die Lücke auf der linken Seite, die Kostić hinterließ, zu groß. Leihgabe Luca Pellegrini bringt zweifelsohne Qualität mit, fühlt sich als Linksverteidiger aber deutlich wohler als im Spiel nach vorne. Konträr dazu verhält es sich bei der Viererkette. Kein klassischer Rechtsverteidiger steht aktuell im Kader der Hessen. Glasner probierte bereits mehrere Alternativen und feilt nach wie vor an der Idealbesetzung.
Bei der Systemumstellung auf die Viererkette sah man aber gleichzeitig Glasners große Stärke. Vor allem in den Partien gegen Bremen und RB zeigte die Eintracht ein herausragend organisiertes Pressing, sodass man mitunter dachte, die Eintracht spielt „schon immer“ in dieser Formation. Schnell waren Automatismen und Abläufe erkennbar. Auch im eigenen Ballbesitz fand man unter anderem in Bremen gute Lösungen. In der offensiven Dreierreihe hinter dem schnellen Kolo Muani agierten mit Jesper Lindström, Mario Götze und Daichi Kamada gleich drei kreative Spieler, die immer wieder Positionen tauschten und andere Räume besetzen. Mit klugen Abkippbewegungen der beiden Sechser konnte man so die Manndeckung der Bremer oftmals umspielen und ausnutzen.
Quo vadis?
In Sachen Kaderplanung hat die Eintracht rund um Sportvorstand Markus Krösche ihre Hausaufgaben erledigt. Mit Mario Götze kam ein zweiter Zehner, der Erinnerungen an das Duo Younes – Kamada aufblitzen lässt, mit dem die Eintracht vor zwei Jahren lange um die Top 4 mitspielte. Vor allem Kamada profitiert von seinem neuen Kreativpartner – bereits 7 Scorerpunkte kann der Japaner aufweisen. Mit Lucas Alario wurde der von vielen gewünschte Spielertyp verpflichtet. Der kopballstarke Stürmer bietet der Eintracht bei Flanken und langen Bällen eine neue Dimension im Angriffsspiel. Dass Kolo Muani riesiges Potenzial hat, wurde schnell klar. Die Hartnäckigkeit, die die Eintracht bewies – immerhin ist man seit 2020 am jungen Franzosen interessiert – lohnte sich am Ende. Zusammen mit Talenten wie Alidou und bereits vorhandenen Spielern rund um Borré, Knauff und Lindström ist es wohl die stärkste Offensive Frankfurts seit langem.
Tiefstehende Gegner in Bewegung zu bringen und hinter deren letzte Kette zu kommen, ist die Königsdisziplin im Fußball – das darf man bei all der Kritik an der zuletzt ideenlosen Offensive nicht vergessen. Auch die statistischen Daten geben keinen Anlass zur Sorge – lediglich in Sachen Torschüsse (aktuell Drittletzter mit 63 Abschlüssen) hinkt man hinterher. Bei der hohen Erwartungshaltung sollte man nicht vergessen, wo man herkommt. Vor 6 Jahren dem Abstieg nur in der Relegation entkommen, erreichte man seitdem Großartiges. In der Liga nie schlechter als Platz 11 ab, dazu 2 Pokaltitel. Resultate, von denen die meisten Bundesligisten nur träumen können.
Im Spiel der Eintracht passt auch in dieser Saison vieles, möchte man aber im Oberen Drittel mitmischen, bedarf es mehr Kreativität gegen defensive Gegner.
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Beitragsbild: Sven Mandel, 2022128155720 2022-05-08 Fussball Eintracht Frankfurt vs Borussia Mönchengladbach – Sven – 1D X MK II – 1253 – B70I7364, CC BY-SA 4.0