8 Spiele – 6 Siege – 18 Punkte – nur 5 Gegentore. Den Saisonstart von Tim Walters Hamburger SV kann man als sehr gelungen bezeichnen. Mit dem Auswärtssieg beim „Angstgegner“ Holstein Kiel steht der HSV sogar fünf Punkte besser da als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Es läuft beim HSV – zumindest punktetechnisch. Denn schaut man sich die acht Auftritte der Hamburger im Einzelnen an, ist längst nicht alles Gold, was glänzt.
Weniger Dominanz des HSV?
Wie man es von Tim Walters Mannschaft gewohnt ist, pflegt der HSV auch in dieser Saison ein ausgeprägtes Ballbesitzspiel. Mit einem durchschnittlichen Ballbesitzwert von knapp 60% hat keine Mannschaft in der 2. Bundesliga öfter den Ball. Dennoch verzeichnete man ein Minus im Vergleich zum Vorjahr von knapp 4%. Entscheidend bleibt, was man mit dem Ball anfängt. Auch hier ähneln sich die Werte der Vorsaison. Während man letzte Saison über 15 Schüsse pro Spiel Richtung gegnerischem Tor abgab, sind es diese Saison mit 14 unwesentlich weniger. Ebenfalls etwas geringer ist die Chancenqualität der Rothosen. Betrachtet man die expected Goals (Torwahrscheinlichkeit eines Abschlusses) pro Schuss, so ist auch hier ein Rückgang von 3% festzuhalten. War der expected Goals-Wert im letzten Jahr noch bei 15% pro Schuss, sind es in der Anfangsphase dieser Serie nur noch 12%. Insgesamt konnte man in dieser Saison aus 12,75 xG 12 Tore erzielen – eine ordentliche Ausbeute. Auffällig dabei: in 5 von 8 Partien war man dem Gegner xG-technisch unterlegen. Rund 12 Gegentore wären laut xG erwartbar gewesen. Dank starken Leistungen von Torhüter Daniel Heuer Fernandes und dem nötigen Quäntchen Glück stehen lediglich fünf Gegentore zur Buche. Apropos DHF. Kein Torhüter wehrte in dieser Saison mehr Bälle ab als der Schlussmann der Hamburger – ungewöhnlich für eine Spitzenmannschaft. Er dürfte damit großen Anteil am guten Start des HSV haben.
Mehr Balance?
Weniger Ballbesitz und weniger Gegentore: hat Tim Walter in dieser Saison möglicherweise ein Auge auf mehr Balance im Hamburger Spiel gelegt? Könnte man durchaus vermuten. Denn im Vergleich zum Vorjahr geht man diesmal nicht mehr so aggressiv – und dementsprechend riskant – gegen den Ball zu Werke. Der Gegner kann durchschnittlich rund 10 Pässe spielen, bis es zu einer Defensivaktion des HSV kommt. Im Vorjahr agierte man noch deutlich energischer gegen den gegnerischen Ballbesitz und ließ durchschnittlich nur 7 Pässe zu.
Abgezockt und reif
Die Statistik gibt vereinzelt kleine Rückschritte in Walters dominanten Spiel her. Doch ist der HSV deswegen schlechter als vergangene Saison? Nein! Was nicht in der Statistik auftaucht, und was dem HSV in dieser Saison oftmals gelingt, ist es, in den richtigen Situationen da zu sein. Trotz durchschnittlicher Leistungen und Drangphasen der gegnerischen Mannschaften schafft man es immer wieder, den Gegner im richtigen Moment weh zu tun. Als Paradebeispiele dienen die beiden letzten Siege gegen den KSC und Holstein Kiel. Gerade als man dachte, der Gegner könnte in Führung gehen, stach man eiskalt zu. Man könnte sagen, die Mannschaft ist reifer geworden. Reife und Abgezocktheit – Eigenschaften, die nur schwer statistisch zu erfassen sind.
Hamburger Geschlossenheit durch Kontinuität
Der wichtigste statistisch Wert – nämlich die Punkteausbeute – spricht dabei eindeutig für die Qualitäten des HSV. Ohnehin hat man seitdem Abstieg wohl einen der stärksten Kader. Knapp 9 Mio. € investierte man in Neuzugänge. Dass sich diese Neuzugänge erst noch ins System-Walter einfinden müssen, wird oft vergessen. Hilfreich ist dabei die Kontinuität, die aktuell in Hamburg herrscht. Tim Walter ist der erste Trainer, der seit Zweitligazugehörigkeit in eine zweite Saison gehen darf. Neben Taktik und Qualität verfügt der HSV nun auch über Geschlossenheit in der Mannschaft, da Mannschaft und Trainer die Zeit gegeben wird, sich zu entwickeln. Gerade in Phasen, in denen es spielerisch nicht einwandfrei läuft, ist dies hilfreich, um Spiele auch auf eine andere Art und Weise als mit spielerischem Glanz auf die eigene Seite zu ziehen.
Schlagbarer HSV?
Doch was bedeuten diese vielen Statistiken für die Zukunft? Kann sich der Rest der Liga auf einen schlagbaren HSV einstellen? Mit Nichten. Geht man davon aus, dass der HSV aktuell noch weit unter seinen Möglichkeiten spielt und trotzdem weit oben steht, kann einem angst und bange werden. Mit Tim Walter hat man einen Trainer, der seine Vorstellungen nun bereits über ein Jahr mit der Mannschaft ausarbeiten durfte. Der dritte Platz aus dem Vorjahr gibt ihm dabei recht. Hinzu kommt eine Kaderqualität, die in dieser Liga unerreicht ist. Schafft man es die namhaften Neuzugänge ins System „Walterball“ vollends zu integrieren, dürfte es für jeden Gegner dieser Liga sehr schwer werden, dem HSV Punkte zu entbehren. Wie stabil das Gefüge des HSV neben all der Qualitäten tatsächlich ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Mit Düsseldorf, Hannover, St. Pauli und Paderborn warten klangvolle Namen bis Ende Oktober. Hier bedarf es sicherlich besserer Leistungen als in den letzten Wochen. Bis dahin stellt sich die Frage:
Was passiert eigentlich, wenn der HSV – neben der starken Punkteausbeute – nun auch noch gut spielt?
Dir hat unser Beitrag gefallen? Dann lass doch gerne eine Kleinigkeit für unsere Kaffeekasse da und unterstütze ein junges Fußball-Magazin via PayPal:
[paypal-donation]
Danke für deinen Support!
Schau auch gerne mal bei Social Media vorbei und begleite uns auf unserem Weg:
Facebook – Instagram – Twitter
Quelle Stats:
wyscout.com