Valencia: nur noch Mittelmaß?
Topverein, Talentschmiede, Champions League Teilnehmer und vieles mehr. All das war der FC Valencia noch vor einigen Jahren. Unter anderem aufgrund von Schulden, einer hohen personellen Fluktuation und Uneinigkeit bezüglich der Spielprinzipien stürzte der 6fache spanische Meister ab. In den letzten 3 Jahren verzeichnete man am Saisonende stets ein negatives Torergebnis und schnitt weit hinter den eigenen Erwartungen ab.
Auch der letzte Versuch auf der Trainerbank brachte keinen nachhaltigen Erfolg. Pepe Bordalás musste nach nur einer Saison wieder die Segel streichen. In Valencia schaffte es der Spanier nicht, an seine früheren Erfolge anzuknüpfen. Mit dem FC Getafe stieg er beispielsweise auf und führte diesen im Anschluss bis in die Europa League. Die für seine Teams typische Aggressivität und hohe Aktivität im Pressing konnte er den Blanquinegros zwar mitgeben, das Spielerische blieb aber komplett auf der Strecke. Valencia spielte in der letzten Saison ligaweit die wenigsten Pässe und auch die Qualität dieser war mit 76% Genauigkeit unterirdisch. Nach fußballerischen Lösungen suchten die Anhänger vergebens und mussten sich mit der destruktiven Spielweise abfinden.
Gennaro Gattuso denkt um
Wenn man sich die Spiele von Mailand oder Napoli anschaut, als ich dort war, haben wir im Angriff nicht gepresst wie in Valencia. Es ist das erste Jahr, in dem ich das mache.
Nachfolger auf der Trainerposition Valencias ist seit dieser Saison der bekannte Weltmeister von 2006. Das Zitat des Italieners fasst die Anpassung seiner Spielphilosophie gut zusammen. Gattuso, zuvor unter anderem in Neapel und Mailand tätig, war auch mit seiner vorherigen Herangehensweise nicht unerfolgreich. Bei seiner letzten Station in Neapel kam er am Ende in 81 Partien auf einen Punkteschnitt von 1,89 pro Spiel. Vor allem im Spiel gegen den Ball war der Ansatz aber sehr konträr zu seinem jetzigen. Ein durchaus positives Zeichen – schließlich sammelt der Italiener derzeit die ersten Erfahrungen im Ausland und zeigt sich anpassungsfähig. Aktuell findet sich sein Team allerdings auch nur im Mittelfeld der La Liga wieder.
Mehr Ballbesitz: das neue Valencia?
Die Blanquinegros waren in der Vergangenheit nicht für Dominanz und Ballbesitz bekannt. Seit dieser Saison hat sich das durchaus geändert. Ein sattes Mehr von 13% an Spielanteilen lässt sich seit dem Wechsel von Bordalás auf Gattuso verzeichnen – lediglich der FC Barcelona und Real Madrid sind öfter am Ball als der Traditionsverein aus dem östlichen Teil Spaniens. Trotz des hohen Ballbesitzanteils von über 57% liegen sowohl die Anzahl der gespielten Pässe als auch deren Genauigkeit nur knapp über dem Ligaschnitt. Im 4-3-3 sollen die beiden Innenverteidiger (Gabriel Paulista/ Diakhaby/ Cömert) den Ball möglichst schnell in das Mittelfeld spielen. Die spielstarken Talente aus dem Mittelfeldzentrum Nico González und Guillamón sind in der Regel die Abnehmer. Vor allem der Zweitgenannte schlägt immer wieder starke lange Bälle in Richtung Offensive.
Dass Valencia mehr Pässe in der gegnerischen Hälfte als in der eigenen spielt, zeigt, dass man mit Ball nicht immer geduldig agiert. Über die Hälfte der Saisontore der Gattuso-Elf kreierte man aus dem eigenen Positionsspiel – insofern ist dennoch eine extreme Steigerung im Vergleich zu den Vorsaisons zu verzeichnen. Einhergehend mit dem verbesserten Ballbesitzspiel ist auch die gute Konterabsicherung.
Pressing und Balleroberungen
Wie bereits einleitend erwähnt, war der FC Valencia bereits im letzten Jahr unter Trainer Bordalás auch eines der aktiv verteidigenden Teams der La Liga. Unter Gennaro Gattuso verstärkte sich dies um ein Vielfaches. Lediglich 7 Pässe gestatten die Blanquinegros dem Gegner, ehe sie im Schnitt den Ball erobern. Ebenso sind es 7 Zweikämpfe, die das junge Team pro Minute gegnerischen Ballbesitz führt. Beide Stats sind mit Abstand die Top-Werte der Liga und unterstreichen die intensive Arbeit gegen den Ball.
Das Vorwärtsverteidigen zeichnet sich bis dato aus. Mit lediglich 7 Gegentreffern aus dem gegnerischen Ballbesitzspiel hat bislang nur der FC Barcelona in dieser Hinsicht weniger kassiert. Auffällig bei Gattusos Mannen sind die wenigen Interceptions – vor allem im Mittelfeld. Trotz guter Restverteidigung und Defensivarbeit in der Viererkette zeigt sich das zentrale Mittelfeld in der Abwehrarbeit nicht immer auf der Höhe. Paradebeispiel ist hierfür die Barca-Leihgabe Nico – spielerisch sehr ambitioniert und hochbegabt, aber noch mit viel Luft nach oben in der Rückwärtsbewegung. Auch deshalb lädt man die Gegner zu zu einfachen Gegentoren ein und konnte erst 3x in der Liga zu 0 spielen.
Offensive: so möchten die Blanquinegros Tore erzielen
Mit 23 Toren aus 15 Ligapartien ist die Ausbeute für die Gattuso-Elf durchaus ordentlich. Neben Routinier Edinson Cavani konnte allerdings bislang kein Akteur mehr als 2 Treffer beisteuern. Von der Kopfballstärke Cavanis macht man gerne Gebrauch – bereits 5mal waren die Blanquinegros nach Flanke erfolgreich. Im Allgemeinen forciert man das Offensivspiel über die starke linke Seite um Kapitän José Gayá und Atlético Madrid Leihgabe Samuel Lino. Außenverteidiger Gayá überzeugt vor allem durch seine präzisen Flanken und Offensivläufe. Der Brasilianer Lino glänzt mit technischer Raffinesse und gilt als einer der stärksten Dribbler La Ligas, muss aber noch an seiner Effizienz arbeiten. Trotz vieler Aktionen im gegnerischen Sechzehner sprangen erst 2 Tore heraus.
Allgemein sucht Valencia gerne das Dribbling in der Offensive, um den Gegner zu knacken. Ausbaufähig ist das Umschaltspiel der Schützlinge von Gennaro Gattuso. Erst einmal war man nach Kontern erfolgreich – klar zu wenig für die eigenen Ansprüche. Auch die Schussgenauigkeit von 35% ist zu gering, um Ansprüche nach weiter oben anzumelden. Trotz vieler Durchbrüche in gefährliche Räume trifft man zu oft falsche Entscheidungen und verpasst in der Folge klare Abschlüsse, die stattdessen aus eher ungefährlichen Positionen abgegeben werden.
Viel Luft nach oben auf dem Weg nach Europa
Auch wenn sich bei Valencia stilistisch bereits viel getan hat in den ersten Monaten unter Trainer Gattuso, ist noch viel Luft nach oben. Dennoch sind die Europäischen Plätze noch in Sichtweite. Um ein ernsthafter Kandidat hierfür zu sein, bedarf es mehr Konstanz. Noch kein einziges Mal schaffte man es, 2 Spiele in Folge siegreich zu gestalten. Nicht vergessen darf man bei der Kritik, dass die Blanquinegros das zweitjüngste Team aus Europas Top-5 Ligen stellen und dadurch zwangsläufig noch viele Entwicklungsschritte gehen müssen. Auch vom Verletzungspech blieb man nicht verschont.
Die Baustellen für das Team aus dem östlichen Teil Spaniens sind schnell zu benennen. Im Angriff bedarf es mehr Durchschlagskraft und Variabilität. Zu wenig Gefahr kommt zum Beispiel von der rechten Offensivseite. Die Wachsamkeit bei gegnerischen Standards gilt es ebenfalls zu erhöhen – 8 Treffer kassierte man schon nach solchen Situationen und vermasselte sich dadurch eine bessere Ausgangsposition. Schafft man es zudem möglichst bald, im Mittelfeld besser im Raum zu verteidigen und die Abstände zur Abwehr nicht zu groß werden zu lassen, kann man durchaus noch auf Europa hoffen. Dass man das Potenzial dafür hat, konnte man bereits mehrfach zeigen und muss dies in den nächsten Wochen konstanter auf den Platz bringen.
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Quellen:
transfermarkt.de
wyscout.com
instat.com
whoscored.com
Valencia CF, CAMP DE MESTALLA GRADA DE LA MAR 2014, CC BY-SA 4.0