19 Trainer der 3. Liga gaben vor der Saison ihre Favoriten auf die Aufstiegsränge der Liga an. Das Ergebnis? Ziemlich eindeutig. Dynamo Dresden ist der klare Favorit, den Rest machen Ingolstadt, Aue und 1860 München unter sich aus. Und Saarbrücken? Nun ja, immerhin 3 Stimmen erhielt das Team von Uwe Koschinat. Das dürfte am Ludwigspark aber niemanden stören – ganz im Gegenteil. Im Schatten der Favoriten fühlt man sich wohl – was auch der Saisonstart zeigt.
Saarbrückens Trainer: Uwe Koschinat
Seit der letzten Saison ist Uwe Koschinat als Nachfolger von Lukas Kwasniok Trainer beim FCS. Der gebürtige Koblenzer brachte es als Aktiver auf 3 Zweitligaspiele für den VfL Wolfsburg und war ansonsten überwiegend in der Oberliga Südwest unterwegs. Nach der Spielerkarriere arbeitete er viele Jahre als Co-Trainer bei der TuS Koblenz. An der Seite von unter anderem Uwe Rapolder und Petrik Sander konnte man 4 Jahre in der zweiten Liga bestehen.
Zur Saison 2011/12 wurde der Regionalligist Fortuna Köln auf Uwe Koschinat aufmerksam. Von Jahr zu Jahr konnte sich das Team unter dem Trainer steigern. Auf Platz 7 folgte Platz 2. Die Krönung erfolgte 13/14 als man nach der Meisterschaft auch die Zweitvertretung der Bayern in der Relegation schlagen konnte – der Aufstieg in die 3. Liga war perfekt. Nach über 7 Jahren verließ Koschinat die Fortuna in Richtung zweite Liga zum SV Sandhausen. Er hinterließ einen scheinbar stabilen Drittligisten, der in Koschinats letzter Saison sogar einen starken 8. Platz einfahren konnte. Ohne Koschinat folgte allerdings der sofortige Abstieg, von dem sich die Fortuna bis heute nicht erholen konnte.
In Sandhausen übernahm Koschinat eine verunsicherte Mannschaft, die aus den zuvor 9 absolvierten Partien lediglich 5 Zähler einfahren konnte. Dennoch konnte man am Ende die Klasse einmal mehr halten. In Koschinats erster (und einziger) vollständiger Saison beim SVS gelang dem Verein mit Platz 10 eine der besten Spielzeiten der Vereinsgeschichte. So konnte man beispielsweise den VfB Stuttgart oder den HSV besiegen. Das ansonsten für seine Defensive und Kompaktheit bekannte Sandhausen erfuhr unter Koschinat neue Offensivqualitäten. Am Ende der Saison stand bei den xG (expected Goals) Platz 4 mit starken 56,67 erwarteten Toren, nachdem man hier in der Vorsaison auf dem vorletzten Platz landete. Nach 5 sieglosen Partien wurde Koschinat zu Beginn der folgenden Saison freigestellt, was für viele damals unverständlich war.
Uwe Koschinats Trainerbilanz
Spiele | Siege | Remis | Niederlagen | Tore | Punkte | Punkte/Spiel |
410 | 177 | 92 | 141 | 603:533 | 623 | 1,52 |
FC Saarbrücken – die Spielweise
Mit 3 Siegen aus den ersten 3 Partien gelang dem FCS ein Rekordstart im Profifußball – noch nie zuvor konnte man hier alle 3 Spiele gewinnen. Einer der Gründe ist sicherlich der neue breitere Kader, der in der Zusammensetzung vielleicht der beste der letzten 20 Jahre ist, den die Fans im Ludwigsparkstadion bestaunen durften. Mit z.B. Richard Neudecker kam nicht nur Qualität in der Breite dazu, vor allem auch in der Spitze. Auch die Leihgabe der Bayern Marvin Cuni konnte schon zeigen, dass er dem Angriffsspiel neue Dimensionen mitgeben kann.
Prinzipiell definieren sich die Moldscher in erster Linie über das Spiel gegen den Ball. Der Plan ist es mit starken Verdichtungen in Ballnähe dafür zu sorgen, dass dem Gegner die kurzen Anspielstationen fehlen, um bei Balleroberung mit Überzahl und Tempo auf das gegnerische Tor zuzukommen. Dafür setzt man gerne auf die Flügelspieler und schlägt ligaweit mit die meisten Flanken. Insgesamt steht man gut und gerne in der defensiven Grundordnung und verlässt diese nur ungerne, was auch statistisch belegt werden kann. Der PPDA-Wert (Passes per defensive action – „Pässe pro Defensivaktion“) sagt viel über die Intensität des Pressings aus. Die Pässe, die ein Gegner spielt, bis es zu einer Defensivaktion der verteidigenden Mannschaft kommt (z.B. Zweikampf, abgefangener Ball, Foul) werden gezählt – in der Kategorie steht Koschinats Team mit 11,5 im Schnitt zugelassenen Pässen im hinteren Teil der Tabelle. Spitzenreiter ist hier bislang der VfL Osnabrück mit 5,6.
Im eigenen Ballbesitz eröffnet der FCS im Normalfall aus der Innenverteidigung heraus auf einen tiefen Sechser, der das Spiel vorantreiben soll. In der Regel wird der Flügel gesucht. Die anderen Zentrumsspieler sollen für ein Wechselspiel sorgen, bei dem sich der ballnahe Spieler nach außen verschieben soll, um den Flügel zu überladen. Der ballferne zentrale Mittelfeldspieler soll hingegen den Weg nach vorne suchen, um den Sturm zu unterstützen oder sich gegebenenfalls für das Gegenpressing zu positionieren.
Der lange Ball ist ein gerne genutztes Mittel der Mannschaft von Uwe Koschinat. Ligaweit spielt man die bis dato viertwenigsten Pässe – von denen sogar über 17% der Bälle lang gespielt werden, was nochmal 3% mehr als in der Vorsaison sind. Das Risiko für einen Ballverlust in der Vorwärtsbewegung soll vermindert werden, um nicht ungeordnet in die Rückwärtsbewegung zu müssen. Auch deshalb sieht man in der eigenen Hälfte nur ganz selten 1 gegen 1 Situationen in Saarbrücken.
Saarbrücken wird variabler
Bereits in der abgelaufenen Saison spielte der FCS lange um den Aufstieg mit. Erst in den letzten 7 Spielen, von denen man keines mehr gewinnen konnte, wurden die letzten Träume zerstört. Auch dieses Jahr gilt man nicht als Topfavorit. Transfermarkt.de listet den Kader in der Marktwerttabelle derzeit auf Platz 8, was aber bekanntlich nichts heißen soll.
Spätestens seit der 1. Halbzeit gegen die Zweitvertretung des BVBs lässt sich auch im Offensivspiel eine klare Entwicklung bei den Moldschern feststellen. Nachdem man zuvor – vor allem gegen Elversberg – sich auf das tiefe und kompakte Verteidigen (am Ende 34% Ballbesitz) besinnen konnte, übernahm man am 3. Spieltag erstmals selbst die Initiative in der jungen Saison und hatte am Ende mehr Ballbesitz als der Gegner.
Das war vielleicht die beste erste Viertelstunde unter mir.
Zeigte sich nach dem Last Minute Sieg auch Saarbrückens Trainer Uwe Koschinat sichtlich begeistert. In der Anfangsphase erspielte man sich ein klares Übergewicht und hätte schon früh die Weichen auf Sieg stellen müssen. Immer besser scheint man die Mischung zwischen Fußball spielen und im richtigen Moment kompromisslos agieren zu finden. Auch wenn man in der zweiten Halbzeit gegen Dortmund Probleme bekam und mehrfach über Beckers rechte Seite überlaufen wurde.
In Sachen System ist man taktisch total flexibel. Am 1. Spieltag gegen Verl war es das aus der Vorsaison bekannte 4-2-3-1, im Derby gegen Elversberg ein 3-1-4-2 und zuletzt das offensive 4-3-3. Auch wenn man ergebnistechnisch perfekt startete, bedurfte es jedes Mal einen Kraftakt. Gegen Verl konnte man mit einem engagierten Auftritt sich spät belohnen, in Elversberg agierte man taktisch gut eingestellt und sehr clever. Gegen den BVB war es im ersten Abschnitt phasenweise berauschender Fußball, gegen Ende des Spiels gingen die Ideen etwas aus – mit den beiden „Brechern“ Cuni und Grimaldi gelang dennoch spät der Siegtreffer. Die Sturmspitze ist auch ein Zeichen, dass man am Ludwigspark eben variabler geworden ist.
Die Defensive ist natürlich nach wie vor die große Stärke. Auch wenn man laut „expected Goals“ schon 3,03 Gegentreffer hätte kassieren können, steht nach wie vor die Null. In der Vorsaison lag das Problem auch in der Offensive, vor allem im letzten Drittel. Mit mittlerweile 66 Ballkontakten im gegnerischen Sechzehner findet auch hier eine Entwicklung statt – der Wert ist der viertbeste der Liga.
Koschinat und Saarbrücken – bereit für den Aufstieg?
Die Saison ist sicherlich noch zu jung für Zwischenfazits. Die ersten Begegnungen haben aber gezeigt, dass mit dem FCS zu rechnen ist. Es macht sich bemerkbar, dass man im zweiten Jahr in der aktuellen Konstellation ist. Sportdirektor Jürgen Luginger sowie das gesamte Trainerteam haben sich gefunden.
Dass man Thoelke oder Frantz zuletzt in der englischen Woche „schonen“ konnte, zeigt die vorhandene Qualität, die sich vor allem gegen Ende der Saison noch auszahlen kann. Auch wenn Grimaldi wieder völlig fit ist, scheint der Gedanke des Edeljokers kein schlechter zu sein. Denn mit seiner Wucht am Ende des Spiels ins Geschehen einzugreifen verändert die Statik und Dynamik automatisch in Richtung der Moldscher.
Auch wenn sich zuletzt fußballerisch Fortschritte bemerkbar machten, ist die Entwicklung logischerweise noch lange nicht abgeschlossen. Noch öfter kann man das Spiel verlagern und Tempowechsel forcieren. Aktuell scheint noch vieles von Neuzugang Richard Neudecker abzuhängen, der im Zweifel die erste Anspielstation ist und den Weg in die Offensive leiten soll.
Am Wochenende kommt mit dem FC Ingolstadt der erste richtige Brocken auf das Team von Uwe Koschinat zu. Beim Wiedersehen mit Patrick Schmidt treffen zwei Teams aufeinander, die beide noch ohne Punktabgabe und Gegentor sind. Im Gegensatz zu Saarbrücken vertraute FCI Trainer Rüdiger Rehm zuletzt zweimal auf die selbe Startelf in der englischen Woche.
Übrigens – der FCS hat nach 3 Spielen am zweitwenigsten Ballbesitz in der Liga. Weniger hat nur? Richtig, der kommende Gegner aus Ingolstadt. Beim Duell gegen den Absteiger dürften sich die Männer von Koschinat auf ihre gewohnt stabile Defensive verlassen, der Druck liegt bei Rehms Truppe.
Die Bilanz zwischen Rehm und Koschinat könnte ausgeglichener nicht sein. 2 Siege für beide und 4 Unentschieden gab es in den bisherigen Duellen. Eine ähnlich ausgeglichene Partie wird am Wochenende erwartet. Vielleicht setzt sich am Ende die Erfahrung der Saarländer durch – mit 27,8 Jahren im Altersschnitt hat die Truppe von Uwe Koschinat schon viel erlebt.
Auch wenn es den ersten Rückschlag geben sollte, wird die Euphorie rund um den Ludwigspark nicht gebrochen werden. Die zuletzt über 11 000 Zuschauer am Mittwochabend belegen die große Unterstützung der Fans, die sicherlich auch zahlreich zur Standortbestimmung an den Audi Sportpark pilgern werden.
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Beitragsbild bestehend aus: Saar-Seb, Ludwigspark Oktober 2020, CC BY-SA 4.0