1860 München & Michael Köllner in der Analyse: bereit für den Aufstieg?




Köllner kündigt Aufstieg an

Wir werden nächstes Jahr im Mai wieder hier stehen und etwas ganz Großes feiern!

Michael Köllner zeigte sich angriffslustig auf dem Fan-Fest des TSV 1860 München. Der gebürtige Oberpfälzer nahm kein Blatt vor den Mund und kündigte den Aufstieg als großes Ziel für die anstehende Saison an. Auf Giesings Höhen hat man nach 4 Jahren offenbar genug von der 3. Liga – insbesondere nach den beiden vierten Rängen der Vorjahre. Dass im fünften Jahr nun endlich der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelingt, will man dabei nicht dem Zufall überlassen. Entgegen der Philosophie der vergangenen Jahren wurde man in diesem Sommer auf dem Transfermarkt sehr aktiv und erfüllte die Wünsche des Trainers. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf den Löwentrainer. So forderte der Übungsleiter noch am Ende der letzten Saison ein starkes „1860 München“ – dies hat er nun. Nur konsequent, dass Köllner nun die großen Ziele ausruft.

Schwacher Saisonstart

Um diese großen Ziele zu erreichen, bedarf es einem besseren Saisonstart als letzte Saison. Denn nach 12 Spieltagen hatten die Löwen lediglich 2 Siege auf dem Konto. In der Folge war der große Rückstand auf die Aufstiegsplätze nicht mehr aufzuholen. Und hatte man sich mit kleinen Serien zeitweise doch noch an die Top-3 angenähert, folgte meist eine Niederlage. Am Ende stand ein unzufriedenstellender vierter Platz.

Trotz der Enttäuschung setzen die Verantwortlichen um Sportchef Gorenzel weiterhin großes Vertrauen in die Arbeit von Michael Köllner. Nicht umsonst stellte man dem Trainer einen Kader nach seinen Wünschen für die kommenden Saison zur Verfügung. Somit befindet sich Köllner nun in der Bringschuld und kann sich einen ähnlichen Saisonstart wie vergangene Saison wohl nicht mehr leisten. Doch der 52-Jährige ist selbstbewusst und hat einen klaren Plan mit seinem Wunschkader.

Michael Köllner als Entwickler

Dass Michael Köllner entwickeln kann, bewies er bereits bei seiner 1. Profi-Trainerstation beim 1. FC Nürnberg. Mit einer jungen Nürnberger Mannschaft schaffte Köllner überraschend den Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 2018. Trotz Kontakt zum rettenden Ufer musste Köllner zum Unverständnis vieler nach 21 Spieltagen seine Koffer packen – der Fluch der guten Tat.

Kein einfaches Erbe übernahm Michael Köllner im November 2019 beim TSV 1860. Fanliebling Daniel Bierofka führte die Löwen zurück in die 3. Liga und stabilisierte sie dort. Nach internen Querelen suchte der Aufstiegstrainer das Weite. Auch sein Image als Entwickler überzeugte Gorenzel Köllner nach Giesing zu holen: „Er ist ein echter Spieler-Entwickler, der aber auch über Jahre Trainer ausgebildet hat.“

Paradebeispiel für Köllners Fähigkeiten als Spieler-Entwickler ist die Personalie Marcel Bär. Zwar konnte der Offensiv-Allrounder bereits vor seiner Zeit bei 1860 seine Klasse unter Beweis stellen. Jedoch war der Ex-Braunschweiger vermehrt auf dem rechten Flügel zu Hause. Köllner erkannte die Torjägerqualitäten Bärs und stellte ihn im Sturmzentrum auf.  Die Folge: im Alter von 29 Jahren trifft Marcel Bär zum ersten Mal in seiner Karriere zweistellig und wird am Ende sogar mit 21 Toren Torschützenkönig der 3. Liga. Somit trat Bär in die Fußstapfen von Sascha Mölders, der ein Jahr zuvor die Torjägerkanone in den Händen halten durfte.

Unpopuläre Entscheidungen

Apropos Sascha Mölders: eine weitere Personalie, an der sich der Trainer Köllner gut beschreiben lässt. Denn auch vor unpopulären Entscheidungen schreckt der Übungsleiter nicht zurück. So wurde die „Wampe von Giesing“ im Dezember letzten Jahres nach unbefriedigenden Trainings- und Spielleistungen suspendiert. Blickt man auf die „nach-Mölders-Tabelle“ kann man zumindest nicht von einer falschen Entscheidung sprechen.

Platz Mannschaft Spiele Tore Punkte
1. Magdeburg 19 51:22 43
2. 1860 München 19 41:24 39
3. Braunschweig 19 30:18 35
4. Kaiserslautern 18 31:16 34




Köllners Vertikalspiel

Dass zum zweiten Mal in Folge der Toptorjäger der 3. Liga aus Giesing kommt, ist kein Zufall. Vielmehr ist es Köllners schnelles Vertikalspiel in die Spitze, was die Sturmspitze der Löwen häufig in Abschlusspositionen bringen lässt.

Grundsätzlich favorisiert der taktisch flexible Köllner eine 4-1-4-1-Grundordnung. Dabei beginnt das Vertikalspiel schon in letzter Linie. Durch scharfe und präzise Pässe der Innenverteidiger ins Mittelfeldzentrum soll die erste Linie des Gegners möglichst schnell und einfach überspielt werden. Lange Ballstafetten mit Rück- und Querpässen sind in Köllners Spielidee nicht vorgesehen. Stattdessen wird der Ball mit möglichst wenig Kontakten nach vorne getragen, um die Unordnung des Gegners auszunutzen. Verstärkt wird diese durch automatisierte Tiefenläufe in den Rücken des Gegners. Gleichzeitig sollen auch die beiden Außenverteidiger hinter den durchstarteten Flügelspielern nachrücken.

Taktische Flexibilität bietet insbesondere die 4er-Mittelfeldkette hinter der nominell einzigen Spitze. Je nach Gegner und Phase des Spiels kann sich das 4-1-4-1 in ein 4-2-3-1 oder 4-4-2 umwandeln. Vor allem die beiden Achter müssen als Box-to-Box-Spieler die komplette Klaviatur eines Fußballers abdecken und können von 6 bis 9 auf jeder Position auftauchen.

Passend zu Köllners Spielphilosophie agiert man auch gegen den Ball sehr zielstrebig. Der Gegner soll schon möglichst in dessen Hälfte früh unter der Druck gesetzt werden, um hohe Ballgewinne zu ermöglichen. Bei Balleroberung geht es meist überfallartig in die Spitze. Auch hier kommen die vertikalen Tiefenläufe zum Tragen. Schon vor dem Ballgewinn sollen Köllners Offensivspieler antizipativ den Weg in den freien Raum suchen.

Infolgedessen birgt Köllners aggressives Vertikalspiel gewisse Risiken. Bei Ausbleiben des Ballgewinns können sich spieleröffnende Lücken für den Gegner auftun. Ähnliches gilt für die riskante Spieleröffnung durch die Mitte. Ohnehin bedarf es einer deutlichen Steigerung in der Defensive. Mit 50 Gegentoren kassierte man fast doppelt so viele Tore wie der Drittplatzierte 1. FC Kaiserslautern (27).

1860 Münchens Kader: Qualität und Quantität

Damit in dieser Saison der zuverlässige Schlussmann Marco Hiller weniger hinter sich greifen muss, wurde auch die Abwehr verstärkt. Der 26-jährige Jesper Verlaat kommt ablösefrei aus Mannheim und soll helfen, die Defensive zu stabilisieren. Durch seine Zweikampf- und Kopfballstärke sowie Ruhe am Ball könnte der 1,92m-große Innenverteidiger ein wichtiger Bestandteil für die Mission Aufstieg werden.

Ohnehin wollen die Löwen in dieser Saison auch in der Breite hochwertiger aufgestellt sein und verpflichteten mit Rechtsverteidiger Lannert (SC Verl) und dem defensiven Mittelfeldspieler Rieder (Türkgücü) zwei weitere gestandene Drittligaspieler.

Ausgesprochen umkämpft dürfte es um die Positionen im zentralen Mittelfeld werden. Denn aktuell stehen Michael Köllner 7 Spieler zu Verfügung, die die Rolle in der Schaltzentrale übernehmen könnten. Nach den Abgängen von Dressel und Neudecker sind die Karten neu gemischt. Als Favoriten gelten der vielseitige Yannick Deichmann sowie der technische versierte und handlungsschnelle Erik Tallig. Mit 22 Jahren geht Tallig bereits in seine 4. Drittligasaison und nicht wenige sehen ihn zu Höherem berufen.

1860 München Aufstellung 2022
So könnten die Löwen bspw. auflaufen. Doch der Kader bietet Michael Köllner viele Möglichkeiten.



Als eine Art Königstransfer dürfte der 28-jährige Deutsch-Pole Martin Kobylanski eingestuft werden. Von 2017 bis 2020 war der Ex-Braunschweiger der Mann der dritten Liga und erzielte in dieser Zeit 40 Tore und bereitete weitere 23 vor. Trotz seiner Reservistenrolle in der vergangenen Aufstiegssaison bei den Braunschweiger Löwen war der Neuzugang an beachtlichen 9 Toren beteiligt. In München will man den Spielmacher behutsam in den regelmäßigen Spielbetrieb zurückführen. Zurück in alter Form könnte Kobylanski mit seinem alten Weggefährten Marcel Bär das Top-Duo der 3. Liga bilden.

Für den Flügel verpflichtete man Joseph Boyamba – ebenfalls aus Mannheim. Der offensivstarke Linksfuß war in der vergangenen Saison an 14 Toren direkt beteiligt und konnte in der Vorbereitung auf sich aufmerksam machen. Ebenfalls neu ist Albion Vrenezi. Der 28-jährige Flügelspieler kam von Türkügcü München und kann bereits Zweitligaerfahrung vorweisen.  Da Kapitän Stefan Lex zuletzt angeschlagen war, könnten die beiden Neuzugänge vorerst die Zange auf dem Flügel bilden.

Aufgrund der Vielseitigkeit vieler Spieler und Köllners Ideenreichtum könnten die Positionen während des Spiel- und Saisonverlaufs mehrfach variieren.

Seriöse Kaderplanung

Anders als im letzten Jahr ist man nun auf nahezu jeder Position qualitativ hochwertig und doppelt besetzt. Und dennoch möchte man weiterhin auf Spieler aus der eigenen Jugend setzen. Die Qualität und Quantität der nachrückenden Nachwuchsspieler in der Vergangenheit sind in Deutschland wohl beispiellos. Mit Devin Sür (18) und Leandro Mogalla (17) hat man auch in diesem Jahr wieder hochveranlagte Spieler, die zumindest punktuell den Sprung in die erste Elf schaffen könnten.

Dass man inzwischen auch gut ohne das Geld von Hasan Ismaik zu Recht kommt, bestätigt Gorenzel via tz. Trotz der vielen Neuzugänge soll der Etat im Vergleich zum letzten Jahr nicht gestiegen sein. Das zeigt auch: der Name TSV 1860 München zieht noch bei den Spielern.

Gemeinsam Richtung Aufstieg

Nun ist es die Aufgabe von Trainer Köllner den Kader nicht nur taktisch und physisch vorzubereiten, sondern auch zu einem eingeschworenen Haufen zu formen. Dabei setzte der charismatische Trainer auf teambildende Maßnahmen während des Trainingslagers. Nach getaner Arbeit freut sich Köllner auch mal auf eine „hoibe“ Bier mit seinen Jungs. Denn nur wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, ist der große Traum vom Aufstieg realisierbar.

Die Weichen sind jedenfalls gestellt: im Umfeld des Vereins herrscht einigermaßen (wenn auch nicht ganz) Ruhe. Der Trainer hat einen klaren Plan sowie einen Kader nach seinen Vorstellungen. Und die euphorischen Löwenfans sind bereit, ihre Mannschaft nach vorne zu peitschen. Zwar sehen die Trainer der 3. Liga Ingolstadt, Aue und Auftaktgegner Dresden vorne. Doch sollte der TSV sein volles Potential in dieser Saison abrufen, dürfte der von Köllner angekündigten großen Feier im Mai nichts im Wege stehen.

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Beitragsbild bestehend aus:
Silesia711, MichaelKöllner, CC BY-SA 4.0
ObschtTea, Innenansicht des Grünwalder Stadion, CC BY-SA 4.0

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